Stimmung in den Unternehmen auf Talfahrt
Bundesweit ist die Wirtschaft auf Rezessionskurs und der Kammerbezirk Chemnitz bildet dabei keine Ausnahme. Die Erholung nach dem Abflauen der Coronapandemie war angesichts der angespannten weltpolitischen Lage und der unsicheren Energieversorgung nur von kurzer Dauer. Der Geschäftsklimaindex, der gleichrangig die Einschätzungen zur aktuellen Lage sowie zu den Geschäftserwartungen abbildet, sinkt deutlich auf 79 Punkte ab. Im vergangenen Herbst hatte er noch bei 121 Punkten gelegen.
Die meisten Branchen berichten aktuell von einer gedämpften Geschäftslage und der Ausblick auf die kommenden 12 Monate fällt noch schlechter aus. Im Handwerk bewerten nahezu alle Gewerbegruppen ihre Geschäftslage deutlich schlechter als im Vorjahr. Dies trifft ebenso auf die Geschäftserwartungen zu. Neben gestiegenen Material- und Arbeitskosten, Fachkräfte- und Personalmangel, dem weltweiten Nachfrageeinbruch und dem Zusammenbrechen der Lieferketten sehen sich die Unternehmen vor einem unsicheren Winter, in dem die Energieversorgung keineswegs sicher und bezahlbar ist.
All das geht aus der gemeinsamen Herbstumfrage von Handwerkskammer Chemnitz (HWK) und Industrie- und Handelskammer Chemnitz (IHK) hervor. Diese wurde am Montag, dem 17. Oktober in Chemnitz vorgestellt. An der Umfrage beteiligten sich 1.198 Unternehmen.
Die Industrie bewertet die aktuelle Lage zwar verhalten positiv, aber angesichts sinkender Aufträge aus dem In- und Ausland und dem sorgenvollen Blick auf mögliche Energieversorgungsengpässe sind die Erwartungen für die kommenden 12 Monate deutlich negativ. Im Bau ist die Auslastung erneut deutlich gestiegen und übertrifft das Vorkrisenniveau. Die Erwartungen hingegen sind auch dort verhalten. Die Energie-, Rohstoff- und Kraftstoffpreise stellen dabei die größten Geschäftsrisiken dar. Auch das Dienstleistungsgewerbe sieht sich rückläufigen Aufträgen gegenüber und rechnet daher trotz aktuell guter Geschäfte für die nahe Zukunft mit einer schlechteren Situation. Die Rücknahme vieler Corona-Beschränkungen in den Sommermonaten wirkten sich sehr positiv auf die Geschäfte im Gastronomie- und Tourismussektor aus. Die Perspektive ist aber unsicher.
Trotz Belebung bleibt der Einzelhandel bei rückläufigen Erträgen hinter den Erwartungen zurück. Die Großhändler hingegen vermelden aktuell eher gute Geschäfte. Angesichts geringer Konsumfreude und steigenden Erzeugerpreisen sind die Erwartungen hingegen sowohl im Einzel- als auch im Großhandel stark negativ. Der Verkehrssektor verharrt angesichts gestiegener Kraftstoffpreise und zunehmenden Personalmangels auf dem Stimmungstief des Vorjahres und erwartet auch für die nächsten Monate keine Besserung.
Im Handwerk bewerten nur noch 87 Prozent der Betriebe ihre Lage als gut oder befriedigend. Nur die personenbezogenen Dienstleister, die durch die Corona-Einschränkungen im Vorjahr deutlich gehandicapt waren, geben leicht bessere Bewertungen ab. Auch die Handwerke für den gewerblichen Bedarf geben nahezu gleich gut lautende Lageeinschätzungen wie im Vorjahr ab.
Alle anderen Gruppen sind im Vorjahresvergleich deutlich rückläufig und erstmals seit langem kommt dies in den Gewerken der Bauhaupt- und Ausbaugewerbe an, welche während der Corona-Pandemie immer noch entgegen dem Trend die Lage positiv betrachteten. Hier fiel nun die Lageeinschätzung im Saldo aus positiven und negativen Bewertungen im Bauhauptgewerbe von 76 im Vorjahr auf 48. Im Ausbaugewerbe ging der Saldowert von 74 auf 53 zurück. Besonders stark haben die aktuellen Entwicklungen die Betriebe des Nahrungsmittelhandwerks getroffen, die nicht nur durch höhere Einkaufspreise ihrer Rohstoffe, sondern auch noch durch die erhöhten Energiepreise betroffen sind. Noch nicht durchgeschlagen haben sich die Lageeinschätzungen auf die Auslastung der Betriebe. Die durchschnittliche Auslastung liegt wie im Vorjahr bei ca. 11 Wochen. Lichtblick der aktuellen Entwicklung ist die um 3,4 Prozent auf 1.875 gestiegene Zahl geschlossener Ausbildungsverträge, die damit das Niveau vor der Corona-Krise sogar überschritten hat.
Die negativen Prognosen schlagen sich auch in einer deutlich gesunkenen Investitionsbereitschaft nieder. Knapp zwei Drittel der Unternehmen wollen ihre Investitionen kürzen oder aufschieben. Ähnliches gilt für den Beschäftigtenstand: nur ein Bruchteil der Betriebe rechnet für das kommende Jahr mit einem Personalzuwachs. Besonders Unternehmen im Verkehrsbereich, dem Baugewerbe und dem Einzelhandel gehen zu einem erheblichen Teil von Personalkürzungen aus.
Handwerkskammer-Präsident Frank Wagner zur aktuellen Situation und den Ergebnissen der Konjunkturumfrage: „Von einer Krise in die nächste: So könnte man das Jahr 2022 beschreiben. Der furchtbare Krieg in der Ukraine mit all seinen Auswirkungen hat die durch die Corona-Pandemie entstandene Krise noch verschärft. Die Betriebe des Handwerks leiden jetzt unter den hohen Energiekosten. Hinzu kommen die Materialprobleme. Die Unsicherheit der Ausblicke wird daher immer größer, was sich auch in den Umfrageergebnissen widerspiegelt. Seit vielen Monaten machen wir auf diese Sorgen aufmerksam und fordern konkrete Hilfen, die bisher aber ausbleiben. Es muss jetzt schnell und unkompliziert von staatlicher Seite für Entlastungen – vor allem bei den Energiepreisen – gesorgt werden. Ansonsten werden für viele Betriebe des Handwerks die kommenden Monate zu einer großen Belastungsprobe.“
Dr. h. c. Dieter Pfortner, Präsident der IHK Chemnitz, fasst die Ergebnisse wie folgt zusammen: „Wir befinden uns auf dem Weg in eine Rezession. Die Unternehmen, die die Unwägbarkeiten der Corona-Krise überstanden haben, sehen sich nun neuen ungeahnten Herausforderungen gegenüber. Auch die Nachfrage aus dem Ausland wird angesichts der sich abflauenden Weltkonjunktur weiter nachlassen. Bei sinkenden Umsätzen ist es umso wichtiger, die enormen Kostensteigerungen durch die Energiekrise abzufedern. Deshalb muss die Gaspreisbremse schnell greifen.“