Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Politik muss Fokus auf Stärkung der Wirtschaft legen

Handwerkstag: Innungsverbände lehnen Novelle zum sächsischen Vergabegesetz ab / Mitgliederversammlung verabschiedet Resolution

Vor dem Hintergrund einer drohenden Verfestigung der Krise am Wirtschaftsstandort Deutschland hat der Sächsische Handwerkstag die politischen Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene aufgefordert, die Wirtschaft zu stabilisieren und dabei Prioritäten strategisch auf die Zukunftssicherung des Landes auszurichten.

„Der Fokus muss auf der Stärkung der Wirtschaft liegen. Ohne eine starke Wirtschaft sind die gesellschaftspolitischen Ziele nicht umsetzbar“, heißt es dazu in einer von der Mitgliederversammlung des Sächsischen Handwerkstages verabschiedeten Resolution.

Als politische Handlungsschwerpunkte benennt die Dachorganisation des Wirtschaftsbereichs Handwerk im Freistaat in dem Papier vor allem

  • die Senkung der im europäischen Vergleich zu hohen Energiepreise,
  • den Abbau von ausufernder Bürokratie (einschl. Verhinderung des Entstehens neuer Bürokratie),
  • eine grundlegende Neujustierung der Bildungspolitik, die Deutschland/Sachsen wieder zu Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität verhilft sowie
  • die Rückkehr zu einem rechtskonformen Bundeshaushalt gemäß dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.

Auf Ablehnung der im Handwerkstag organisierten Innungs- und Fachverbände stößt landespolitisch die geplante Novelle des Sächsischen Vergabegesetzes. Das Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe für Unternehmen und Verwaltung durch neue bürokratische Auflagen zu verkomplizieren, sei „die falsche politische Antwort auf die derzeitige Baukrise“.

Vollständiger Text der Resolution:

Wirtschaft stabilisieren – richtige politische Prioritäten für die Zukunft des Landes setzen

Die deutsche Wirtschaft und somit der Wirtschaftsstandort droht, in eine längere Krise zu stürzen. Auch das Handwerk als binnenmarktorientierter Wirtschaftsbereich ist stark betroffen. Die Mitgliederversammlung des Sächsischen Handwerkstages als Spitzenorganisation des Sächsischen Handwerks und größte Landeshandwerksorganisation Ostdeutschlands fordert von den politischen Verantwortungsträgern auf Bundes- und Landesebene, die Wirtschaft zu stabilisieren und eine strategisch ausgerichtete Prioritätensetzung für die Zukunft des Landes und des gesamten Standortes vorzunehmen.

Bildungspolitik ist Grundlage für Wohlstand und Fachkräfteentwicklung

Die jüngste Pisa-Studie hat gezeigt, dass der Standort Deutschland seine führende Rolle beim Thema Bildung und Bildungssystem verloren hat. Die Bundesrepublik ist in diesem Bereich offenbar nur noch Mittelmaß – es bedarf deutlicher Maßnahmen und Investitionen in das Bildungssystem. Unser Land braucht eine neue bildungspolitische Vision. Schlecht ausgestattete Schulen, eine chronische Unterversorgung mit Lehrern, unzureichende Digitalisierung, ungenügende Anwendbarkeit von Wissen und fehlende Strategien bei der Integration von Schülern mit Migrationshintergrund sind die Kernursachen dieses ungenügenden Abschneidens im Pisa-Test. Bund und Länder müssen eine dem föderalen System angepasste Strategie entwickeln, um unser Land im Bereich Bildung wieder wettbewerbsfähig und attraktiv auszugestalten.

In diesem Kontext sind auf Ebene des Freistaates Sachsen auch die Themen der beruflichen Bildung auf den Prüfstand zu stellen und zu priorisieren.

Das sächsische Handwerk fordert:

  • Schulen, die eine adäquate Unterrichtsversorgung für die Schüler sichern
  • Berufsschulzentren mit ausreichenden Übernachtungskapazitäten in Qualität und Quantität wie in der Berufsschulnetzplanung verabredet; dies gilt auch für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten
  • die Einführung einer Praktikumsprämie für Schüler bei Betriebspraktika im Handwerk

Bauwirtschaftliche Kapazitäten sichern

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Krise, die ohne zeitnahe Gegenmaßnahmen länger anhalten kann – im Handwerk ist das Baugewerbe in besonderer Weise betroffen, da weite Teile des Hochbaus zum Erliegen kommen. Der private Wohnungsbau stockt durch die Zinsanstiege und die Verunsicherung im Zuge der unkoordiniert verlaufenden Umsetzung der Klimawende. Das Bauen wird durch Anhebung von Klimaschutzstandards und technologische Vorgaben verteuert, private Bauherren halten sich durch die fehlende Klarheit, u. a. hinsichtlich der Energetik, zurück und Förderprogramme stehen derzeit nicht im benötigten Umfang zur Verfügung. Der öffentliche Hochbau entwickelt sich rückläufig, da den Kommunen und öffentlichen Auftraggebern die Finanzmittel fehlen. Seit Monaten ist die Bundespolitik mit sich beschäftigt – statt Lösungen gibt es beschwichtigende Aussagen.

Deutschland wird die Wohnungsbauziele auch in den kommenden Jahren verfehlen – es droht zudem der Verlust von Baukapazitäten. Unternehmen werden vom Markt verschwinden – Beschäftigten droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze. In Zeiten von Fachkräftemangel werden diese Mitarbeiter der Bauwirtschaft für immer verloren gehen.

Das sächsische Handwerk benötigt:

  • eine sinnvolle Neubewertung baulicher und energetischer Standards (Orientierung am Lebensdauerzyklus und nicht einseitig an den Betriebskosten, ansonsten gibt es für die Erstellungs- und Rückbaukosten ökologisch unsinnige Fehlanreize, wenn diese nicht in die Betrachtung einfließen)
  • bürokratische Entlastungen und Vereinfachungen zum zügigen Anschub von Bauvorhaben
  • die zügige Umsetzung von Förderprogrammen zur Zinsstützung für Bauherren
  • eine Absenkung der Grunderwerbsteuer, mindestens jedoch beim ersten Haus- oder Wohnungsbauvorhaben für Familien
  • eine verlässliche Förderkulisse für die klimapolitischen Vorhaben
  • ein Sofortprogramm zur Realisierung von Sanierungsmaßnahmen im öffentlichen Gebäudebestand
  • deutliche Aufwertung von Sanierungen gegenüber Neubauten

Bürokratie abbauen – neue Bürokratie verhindern – Novelle des Sächsisches Vergabegesetzes stoppen

Die bürokratischen Belastungen für Bürger und Unternehmen sind in Deutschland in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich angewachsen – durch Dokumentationspflichten wie im Bereich der Arbeitszeit, durch Vorgaben wie der Bonpflicht (die zum Januar erneut verschärft wird), durch diverse Nachweis-, Melde- oder Registrierpflichten sowie durch Vorgaben der europäischen Ebene. Gerade erst hat der Normenkontrollrat der Bundesregierung den Aufwuchs von Bürokratiekosten in Höhe mehrerer Milliarden Euro vorgehalten. Die derzeitigen Rahmenbedingungen tragen dazu bei, dass die Attraktivität der Selbstständigkeit stark abgesunken ist.

Das sächsische Handwerk fordert:

  • eine signifikante Reduzierung des bürokratischen Aufwands für die Wirtschaft
  • eine Steigerung der Attraktivität der Selbstständigkeit
  • eine realistische Folgenabschätzung zum Aufwand bei neuen Gesetzen und Verordnungen – vor Beschlussfassung und unter Einbeziehung von Betroffenen (Praxistest)
  • eine Strategie zur Vereinfachung unvermeidbarer Meldevorgänge (können digital gestaltet werden)

Die im Sächsischen Handwerkstag organisierten Innungen und Fachverbände lehnen die geplante Novelle des Sächsischen Vergabegesetzes ab, die weitere bürokratische Belastungen auf Seiten der Unternehmen und der Verwaltungen mit sich bringt. Mit der Öffnung des Vergabegesetzes für einen Vergabemindestlohn sowie für vergabefremde soziale und ökologische Kriterien wird weiterer Aufwand generiert, der die Realisierung von Aufträgen erschwert und nicht kontrollierbar ist. Ein Anstieg von Bürokratie ist die falsche politische Antwort auf die derzeitige Baukrise.

Zusammenfassung/Fazit:

Die Senkung der im europäischen Vergleich zu hohen Energiepreise, der Abbau der ausufernden Bürokratie und die rechtskonforme Aufstellung des Bundeshaushalts im Nachgang zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes sind die Schwerpunkte, mit denen sich die politischen Entscheidungsträger neben der Neujustierung der Bildungspolitik beschäftigen müssen. Es wird eine Neubewertung vieler politischer Wünsche – auch der Personalplanung der öffentlichen Verwaltung - geben müssen. Der Fokus muss auf der Stärkung der Wirtschaft liegen. Ohne eine starke Wirtschaft sind die gesellschaftspolitischen Ziele nicht umsetzbar.

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