Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der diesjährigen Meisterfeier

Am 9. März fand die diesjährige Meisterfeier der Handwerkskammer Chemnitz statt. Folgende Rede hielt Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Begrüßung:

Es gilt das gesprochene Wort!

"Liebe Meisterinnen und Meister,

sehr geehrte Handwerkerinnen und Handwerker,

sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

werte Gäste,

allein schon an der Reihenfolge meiner Begrüßung sehen Sie, wer am heutigen Tag hier in der Chemnitzer Stadthalle im Mittelpunkt steht. Wo protokollarisch der Ministerpräsident als erstes genannt werden müsste, stehen die Meisterinnen und Meister ganz zu Beginn meiner Rede. Lieber Herr Kretschmer, ich hoffe auf Ihr Verständnis für diesen protokollarischen Fehler. Aber er ist eben auch das Signal, wer heute Nachmittag die Hauptpersonen sind: Persönlichkeiten, die sich dazu entschieden haben, ihren Meister zu machen und damit den höchsten Abschluss zu erhalten, den das Handwerk zu bieten hat. Das ist immer wieder eine außergewöhnliche Leistung, die es in einem entsprechenden Rahmen zu würdigen gilt. Lassen Sie uns als heute hier diese Feier dazu nutzen.

  • Begrüßen darf ich zur Meisterfeier insgesamt 207 Meisterinnen und Meister aus 22 Gewerken.
  • Sie kommen aus den Bundesländern Sachsen, Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Und einer kommt aus der österreichischen Hauptstadt Wien. Herzlich willkommen Ihnen allen!
  • Der älteste neue Meister ist 1965 geboren, der jüngste 2003.
  • Von den 207 zu Ehrenden sind 31 Frauen und 176 Männer.
  • 31 Meister und somit die meisten der heutigen Feier kommen aus dem Bereich Kraftfahrzeugtechnik.

Nun denken oder hoffen Sie wahrscheinlich, dass es das jetzt mit den ganzen Zahlen war. Zu früh gefreut, könnte ich sagen – mache ich aber nicht. Erlauben Sie mir, anhand sechs verschiedener Zahlen oder Zahlenpaaren einige Dinge zu erläutern, die zur Meisterfeier, zum Handwerk im Allgemeinen und zur aktuellen Politik im Freistaat, in Deutschland und in Europa besprochen werden müssen.

2.017 ist meine erste Zahl. Es handelt sich um die Anzahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge im Handwerk im Kammerbezirk im vergangenen Jahr. Das ist ein toller Wert. Es ist aber nicht nur eine einfache Zahl, sondern auch das Zeichen, dass das Handwerk in seinen eigenen Nachwuchs investiert. Jetzt kommt ein großes ABER: der Wert stagniert. Das ist auch ein Zeichen, aber eben ein negatives. Denn es wird immer mehr deutlich, dass schlicht die Bewerber fehlen, um alle Stellen zu besetzen. Die Ursachen sind verschieden und ich möchte Ihnen, liebe Meister, dazu etwas mit auf den Weg geben: Nutzen Sie den neuen Titel und bilden Sie aus, seien Sie Botschafter. Für Schüler, für Azubis und Gesellen müssen Sie Vorbild sein und zeigen, was man im Handwerk am Ende erreichen kann. Geben Sie dabei nicht nur fachliches Wissen mit auf den Weg, sondern auch die Leidenschaft und das Traditionsbewusstsein, das Sie als Meister leben und mit dem Sie die Prüfungen erfolgreich bestanden haben!

Für die Rahmenbedingungen außerhalb des Betriebs, die Grundlage dafür sind, dass sich Ausbildung im Handwerk auch lohnt, müssen andere sorgen – wir als Kammer, genauso die Politik. Dass das ein zähes Ringen ist, können Sie sich vorstellen, vermutlich haben Sie während der Ausbildung auch die eine oder andere Erfahrung machen müssen. Ohne Handwerk geht aber nun mal vieles nicht. Wir werden gebraucht. Aber es fehlt die Einsicht dafür an vielen Stellen, vor allem im Bund. Da sollen vergangenes Jahr die Mittel für die Überbetriebliche Lehrunterweisung gekürzt werden – was zum Glück dann doch nicht geschehen ist. Gleichzeitig fließen Milliarden-Beträge in die Hochschulen. Keine Frage, auch diese sind wichtig, aber es fehlt die Verhältnismäßigkeit bei der Unterstützung. Und das sagen wir seit Jahren, aber es passiert wenig. Sie, liebe Meisterinnen und Meister, können aus eigener Erfahrung berichten, welcher Aufwand mit einer Meisterausbildung verbunden ist. Da müssen Sie sich nicht hinter einem Hochschulabsolventen verstecken. Zeigen Sie das daher auch deutlich! Machen Sie an jeder Stelle klar, was Handwerker-Sein ausmacht und welche Verantwortung Sie übernehmen.

Überhaupt das Thema Verantwortung. Wir haben in Deutschland aktuell 735 Bundestags- beziehungsweise in Sachsen 119 Landtagsabgeordnete – womit ich bei den nächsten beiden Zahlen bin. Ohne die Abgeordneten und deren Mehrheiten gäbe es keine Bundes- oder Landesregierung. Daran erkennt man eben die Bedeutung und Verantwortung der Abgeordneten. Sie entscheiden aber nicht nur über die Regierungen, sondern vor allem über Gesetze, indem sie diesen eine Mehrheit geben.

Politik muss bei diesen Prozessen, die entweder jeden Bürger oder auch nur einzelne Wirtschaftsbereiche wie das Handwerk betreffen,

  • vorausschauen,
  • sie muss zuhören und
  • die Betroffenen abholen.

Jetzt meine Frage: Hat die Politik – vor allem im Bund – das in den letzten Monaten getan? Ich gebe Ihnen eine Antwort gleich mit. Sie lautet: NEIN, an vielen Stellen nicht. Das führt zu Unsicherheiten, es schwächt das Unternehmertum, in das neue Meisterinnen und Meister in der Regel ja gerade starten wollen.

‚Rahmenbedingungen‘ ist das Stich- oder gar Zauberwort – ich hatte es gerade eben schon einmal erwähnt. Diese Rahmenbedingungen fehlen vielmals, was aber nicht sein darf. Wenn der Bundeswirtschaftsminister kürzlich davon spricht, dass sich „die Wirtschaft in schwerem Fahrwasser befinde“, so verkennt er, dass das ein seit vielen Monaten bereits bestehender Zustand ist. Ratschläge, Angebote oder Ideen, um zu verhindern, dass das Schiff ‚deutsche Wirtschaft‘ in diesem Fahrwasser nicht kentert, gibt es viele. Gehört werden Sie nicht. Die Schlagseite wird größer.

Dazu gleich noch eine Zahl: Die 4. Es gibt nunmehr den Entwurf eines vierten Bürokratieentlastungsgesetzes auf Bundesebene. Von den ersten drei Gesetzen haben wir wenig gespürt. Beim vierten hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks viele Vorschläge gemacht. Davon eingeflossen sind die wenigsten.

Es gab und gibt daher in unserem Land aktuell ganz unterschiedliche Proteste und -formen. Es gibt Demonstrationen. Es gibt Streiks. Es gibt Traktoren. Es gibt Banner und Plakate. Das ist gut so in einer Demokratie. Doch sie sind in der Regel die Folge, dass nicht miteinander gesprochen wird, bevor Entscheidungen fallen. Vieles könnte man abstimmen und gemeinsam nach Kompromissen suchen. Ich rufe Sie, liebe Meister, liebe Handwerker, daher dazu auf, auch laut zu sein. Kritisch zu sein. Für die eigenen Interessen und für die des Handwerks im Allgemeinen einzutreten. Aber stets auf dem Boden unserer demokratischen Grundordnung und vor allem mit der Bereitschaft zum Kompromiss und in der Form so, dass auch eine Lösung erwartbar ist. Ansonsten stehen wir als Gesellschaft und auch als Handwerk an einem Scheideweg: Es bekommt nur noch der Lauteste Recht. Was andere davon halten, ist egal. ‚Mit dem Kopf durch die Wand‘ ist eine Einstellung, die wir als Handwerk verhindern müssen und mit unserer Größe, mit unserer Erfahrung und mit unserer Bedeutung auch verhindern können.

Ich komme daher zu den nächsten beiden Zahlen: Die 8 und die 4. Herr Ministerpräsident, können Sie mit den Zahlen etwas anfangen?

Wir wählen in diesem Jahr zum achten Mal einen sächsischen Landtag und haben im Freistaat seit 1990 bisher vier Ministerpräsidenten an der Spitze der Staatsregierung gesehen. Wahlen sind immer die Möglichkeit, mit seinem Kreuz darüber zu entscheiden, wie die eigene Zukunft gestaltet werden kann. Ich werde mich hüten, irgendeine Wahlempfehlung abzugeben. Bei fast 22.000 Mitgliedsbetrieben im Kammerbezirk Chemnitz ist das Meinungsbild zur politischen Lage und auch mit Blick auf die Landtagswahlen unter den Handwerkern sehr unterschiedlich. Jede Partei – egal ob in Regierungsverantwortung oder in der Opposition – wird an der einen oder anderen Stelle kritisch hinterfragt oder unterstützt. Das ist auch richtig so. Wir sollten nur stets eines bedenken: Themen, die auf Landesebene gar nicht entschieden werden können, dürfen auch keinen Eingang in die Wahlentscheidung finden. Sachsen ist seit der Wende einen guten Weg gegangen und wir sollten – egal in welcher Regierungskoalition auch immer – diesen beibehalten.

Es gibt sicherlich Themen, die sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene eine Rolle spielen oder beeinflusst werden können. Baustellen gibt es genug – gerade auch für Sie als junge Meister. Dass die Staatsregierung den Meisterbonus im vorletzten Jahr verdoppelt hat, ist ein schönes Zeichen und auch eine Wertschätzung für das Handwerk. Zu verbessern gibt es aber immer etwas. Das werden Sie, für den Fall, dass Sie ein eigenes Unternehmen gründen oder eines übernehmen, recht schnell merken. Das werden Sie aber auch spüren, wenn Sie weiterhin in einem Betrieb tätig sein wollen, der nicht Ihnen gehört. Zum dritten Mal daher das entscheidende Wort von meiner Seite: „Rahmenbedingungen“.

Wir als Handwerkskammer werden Sie stets unterstützen. Gleichzeitig haben wir auch zu jeder Zeit ein offenes Ohr für Ihre Ideen oder Probleme und hoffen, dass Sie das Handwerk als Ganzes auch würdig nach außen repräsentieren. Sie sind Aushängeschild und Werbeträger zugleich!

Liebe Meisterinnen und Meister, liebe Gäste,

zum Abschluss möchte ich noch danken:

  • den anwesenden Vertretern aus Politik und Gesellschaft,
  • der anwesenden Handwerkerschaft,
  • den Innungen und Fachverbänden,
  • den Meisterprüfern und Dozenten,
  • Sponsoren sowie
  • der Stadthalle, den Künstlern und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Handwerkskammer.

Der wohl wichtigste Dank geht aber an jene Menschen, ohne die der Meistertitel nicht möglich gewesen wäre. Vielen Dank, liebe Familien, Partner, Freunde, Kollegen. Sie haben in der Zeit der Meisterausbildung viel Verständnis aufbringen müssen, auch Geduld. Sie haben sicherlich auf vieles ebenso verzichtet. Und Sie haben ab und an auch viel Stress spüren oder davon ablenken müssen. Herzlichen Dank!

Lassen Sie uns daher den heutigen Nachmittag und Abend gemeinsam genießen und feiern. Verdient haben Sie es sich!

Zum Schluss meiner Rede – wie nicht anders zu erwarten – noch eine letzte Zahl: 2025 – Viel dazu sagen möchte ich nicht. Herr Oberbürgermeister Schulze kann das sicherlich besser. Aber eine Meisterurkunde in der nächsten europäischen Kulturhauptstadt überreicht zu bekommen – das können nicht viele Handwerkerinnen und Handwerker von sich behaupten!"

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