Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Vollversammlung

Am 12. November tagte die Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz. Folgende Rede hielt Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Begrüßung:

Es gilt das gesprochene Wort!

"Liebe Handwerkskolleginnen und Handwerkskollegen,

ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer dritten Vollversammlung in diesem Jahr – wieder in Präsenz und nicht als Videokonferenz. Allein das zeigt schon, dass zumindest bei der Corona-Pandemie ein Stück weit Normalität eingekehrt ist, die hoffentlich lange anhalten wird. Aber es ist eben nur eine Normalität bei Corona.

Von einer Krise in die nächste: Dieser Satz zeigt eigentlich gut, wo wir aktuell stehen. „Krise“ ist immer ein sehr deutlicher Begriff für eine Situation. Er passte – wenn man so sagen will – gut bei Corona und er passt aktuell auch noch gut, wenn es um die Preise für Gas, Öl, Strom, Benzin und Wärme geht oder wenn wir über den Materialmangel sprechen. Was kommt aber eigentlich nach Krise? Nicht mehr viel. Entweder das Ende der Krise mit positiver Entwicklung oder der Zusammenbruch. Aktuell sind wir leider Letzterem näher!

Unsere Betriebe stehen seit Wochen und Monaten vor dem Abgrund und wissen eigentlich nicht mehr, wie es weitergehen soll:

  • Ein Bäcker berichtet uns, dass er den Stollen für 50 Euro verkaufen müsse, um halbwegs die Kosten zu decken. Kosten, die ihm für die Beheizung seines Ofens mit Heizöl (nicht mit Gas!) entstehen und die mehr als dreimal so hoch sind wie vor einem Jahr.
  • Es gibt das Galvanik-Unternehmen, ohnehin sehr energieintensiv, das plötzlich dringend benötigte Rohstoffe wie Salzsäure nicht mehr bekommt oder statt dafür 2.000 Euro plötzlich 23.000 Euro für zehn Tonnen bezahlen muss.
  • Ein letztes Beispiel: Wer möchte schon gern beim Friseur sitzen, bei dem die Heizung zurückgedreht wurde und nur noch lauwarmes Wasser zum Haare waschen verwendet wird.

Ich könnte diese Liste jetzt noch ewig fortführen, wenn ich zum Beispiel an die Preise für Gas und Strom, für Benzin und Diesel denke. Oder wenn ich an Materialengpässe bei Holz oder einfachen Stahlnägeln erinnere.

Und wissen Sie, was dabei das größte Problem ist? Ich gebe Ihnen die Antwort: Das ist eine Lage, die es nicht erst seit September oder Oktober gibt. Nein, wir befinden uns in dieser Lage seit vielen Monaten, wenn nicht sogar seit mehr als einem Jahr. Unsere Betriebe haben daher schlicht keine Reserven mehr. Das schlimme ist, dass wir als Kammer und die Betriebe selbst auf diese Not tagtäglich hinweisen und um Hilfe bitten.

Hilfe, die nötigt ist, denn allein kann das Handwerk dieser Abwärtsspirale nicht entgehen. Der Adressat des SOS-Rufs ist die Politik. Und was macht diese? Sie klopft sich alltäglich auf die Schulter für die immer neuen Hilfsprogramme. Es werden im Wochenrhythmus neue Ideen bekanntgegeben, die Milliarden-schwer sind und mit denen die Entlastungen endlich kommen sollen.

Und was passiert: Nichts! Zwar wissen wir seit dem Spätsommer, dass es eine Gaspreisbremse geben soll. Es wurde ein Strompreisdeckel angekündigt. Zwischendrin war mal die Rede von zusätzlichen Härtefallhilfen. Aber von diesen Entlastungen oder Hilfsprogrammen hat bisher keiner unserer Betriebe etwas gespürt. Natürlich muss Gründlichkeit vor Schnelligkeit stehen – das haben wir bei der unsäglichen Gasumlage erleben müssen.

Aber leider fehlt den Menschen, fehlt den Betrieben diese Zeit, die sich die Politik Woche für Woche für die notwendige Gründlichkeit nimmt. Die Ressourcen sind aufgebraucht. Darauf weisen wir, darauf weisen Sächsischer Handwerkstag und ZDH, darauf weisen auch alle anderen Wirtschaftsverbände in geübter Regelmäßigkeit hin. Wir unterbreiten auch Lösungsvorschläge, die aber wenig Gehör finden.

Ich möchte nicht spekulieren, aber es verstärkt sich der Eindruck: Bei der Regierungskoalition in Berlin steht das Wohl der eigenen Partei über der Krisenbewältigung. Oder spüren Sie

„die Bereitschaft, gemeinsam Verantwortung für die Zukunft Deutschlands zu übernehmen, das Ziel, die not­wendige Modernisierung voranzutreiben, das Bewusstsein, dass dieser Fortschritt auch mit einem Sicherheitsversprechen einhergehen muss und die Zuversicht, dass dies gemeinsam gelingen kann…“?

Diese Worte findet man gleich zu Beginn des Koalitionsvertrages zwischen SPD, Grünen und FDP. Gelebt wird dieses selbst gewählte Bekenntnis in den letzten Monaten eigentlich nicht mehr – leider.

Dabei werden wir als Handwerk doch an so vielen Stellen dringend benötigt, gerade auch wenn es um die eben zitierte „Modernisierung“ geht. Aber wenn es keine Betriebe mehr nach diesem Winter gibt, dann brauchen wir auch keine Modernisierung mehr.

Selbst ohne die Energiekrise, wie wir sie jetzt alle zu spüren bekommen, wäre der Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft mit Blick auf die ehrgeizigen Klimaziele eine große Herausforderung – für uns als Handwerk im Besonderen, da es ohne die Handwerkerinnen und Handwerker nicht geht. Aber selbst hier gibt es ein Problem, das gegenwärtig noch weniger Beachtung findet als ohnehin schon: Der eklatante Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Handwerk hat für viele Menschen immer noch nicht den besten Ruf.

Wir haben hierzu im Juni bei unserer letzten Vollversammlung ja auch eine Resolution verabschiedet, die wir an zwei Bundesminister (Habeck und Stark-Watzinger), an den sächsischen Ministerpräsidenten und drei seiner Staatsminister (Dulig, Piwarz, Vorjohann) sowie die Bundesagentur für Arbeit gesendet haben. Antworten gab es zwei von

  • Staatsminister Dulig, der für Anfang Dezember zu einem Spitzengespräch zur Stärkung der dualen Berufsausbildung eingeladen hat
  • und einer Referentin der Bundesministerin für Bildung und Forschung, die uns im Auftrag ihrer Chefin ein paar Standardsätze hat zukommen lassen.

Mit diesem nicht vorhandenen Problembewusstsein werden wir den Mangel nicht beheben. Um aber nicht nur zu meckern, sondern zum Abschluss auch noch einen positiven Aspekt zu benennen: Unsere Betriebe im Kammerbezirk wissen, was sie an gut selbst ausgebildeten Fach- und Arbeitskräften haben. Sie wissen um die Herausforderungen. Sie wissen, dass Handwerk doch attraktiv sein kann und auch muss.

Anders ist es nicht zu erklären, dass unser Kammerbezirk beeindruckende Ausbildungszahlen vorweisen kann. Wir haben das Niveau von vor der Corona-Pandemie wieder erreicht und liegen über den Werten von 2019. Das ist in Sachsen keine Selbstverständlichkeit. Dresden und Leipzig können in der Regel nicht solche Wachstumsraten vorweisen. Aber immerhin gehen die Zahlen dort auch wieder nach oben. Wir sind aber nicht nur in Sachsen Spitze. Schaut man sich die Zahlen aus anderen Bundesländern an oder spricht mit Kollegen aus anderen Kammern, so geht bei denen in der Regel die Zahl der Ausbildungsplätze eher noch zurück – mit teilweise fast zweistelligen Prozentwerten. Zum Glück also entwickeln wir uns hier gegen den Bundestrend.

Das klingt sicherlich schön und ist eine Erfolgsmeldung. Die Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine und die hohen Energiepreise können und werden wahrscheinlich auch irgendwann auf dem Ausbildungsmarkt durchschlagen. Dennoch steht fest: Wir, das Handwerk in Sachsen bekennen uns zu unserer Verantwortung und bieten jungen Menschen eine echte Zukunftsperspektive. Auf diese positive Entwicklung müssen wir weiter aufbauen, um auch zukünftig genügend Fach- und Arbeitskräfte im Handwerk zu haben. Wir dürfen nicht nachlassen – auch wenn die Zeiten aktuell schwierig sind.

Lassen Sie uns daher diesen Weg gemeinsam gehen. Mein Dresdner Präsidenten-Kollege Jörg Dittrich nutzt aktuell gern den Satz: „Das Handwerk hält zusammen!“ Damit hat er Recht. Wir, sowohl Ehren- als auch Hauptamt, müssen zusammenhalten und nach vorn schauen – auch wenn es manchmal schwer fällt. Nur so verschaffen wir uns Gehör, meistern die Krise und machen uns Fit für die Herausforderungen der Zukunft, die ohne Handwerk nicht zu bewältigen sind.

Herzlichen Dank!"

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