Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Vollversammlung
Es gilt das gesprochene Wort!
"Liebe Handwerkskolleginnen und Handwerkskollegen,
ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer diesjährigen Sommervollversammlung, einer weiteren Vollversammlung, die unter schwierigen Bedingungen stattfindet. Ich meine damit nicht das Wetter oder die Örtlichkeit. Nein, vielmehr leben wir seit – ich muss es leider so sagen – jetzt mehreren Jahren aus Sicht des Handwerks in unsicheren, krisenbehafteten Zeiten, die verlässliche Zukunftsplanungen schwieriger machen.
Zu unserer Vollversammlung im November hieß es von mir, dass wir aktuell dem Zusammenbruch näher wären als der Lösung der Krise. Zugegeben, das war und ist sehr zugespitzt, zeigte aber auch die Lage damals zu Beginn des Winters. Denn wir blickten zu dieser Zeit zwar auf
- gefüllte Gasspeicher, aber der Unsicherheit, ob wir damit durch den Winter kommen.
- Wir blickten auf hohe Preise für eben jenes Gas, für Strom, für Heizöl, für Benzin und Diesel und auch für andere Rohstoffe.
- Wir blickten daher eben auch auf Existenzängste bei unseren Handwerksbetrieben.
Und heute? Die Lage bleibt schwierig. Sie bleibt auch mit Blick auf die zukünftigen Entwicklungen unsicher. Und sie wird leider – so unser Eindruck – an vielen Stellen weiterhin nicht so eingeschätzt, wie sie in der Realität zu spüren ist.
Hier anzusetzen, im Großen wie im Kleinen, und die Politik auf die Probleme aufmerksam zu machen, um für unseren Kammerbezirk das Beste zu erreichen, dafür setzen wir uns als Kammer tagtäglich ein. Und ich will zum Anfang auch mal die Gelegenheit nutzen, einmal das Positive hervorzustellen:
Zu allererst natürlich die Ausbildungszahlen. Wenn ich mit Kollegen aus anderen Bundesländern, vor allem im Westen spreche, so berichten diese fast durchgängig von sinkenden Ausbildungszahlen. Und bei uns: Stetig steigend, teilweise auch mal in einem Monat mit zweistelligen Prozenten und bereits deutlich über dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Das ist nicht unbedingt der Verdienst der Kammer, sondern der Erkenntnis der Unternehmen geschuldet, dass Ausbildung immer auch eine Investition in den eigenen Betrieb und somit in die Zukunft ist. Dafür möchte ich allen ausbildenden Betrieben an dieser Stelle auch einmal danken!
Nun zur Arbeit von uns als Kammer. Erlauben Sie mir ein bisschen Werbung in eigener Sache, wenngleich nicht alles immer nur durch die Kammer Chemnitz erreicht wurde, sondern auch mit Unterstützung der Kollegen aus Dresden oder Leipzig. Nehmen wir als Beispiel die Meisterprämie in Sachsen. Zwischen Koalitionsvertrag und tatsächlicher Realisierung vergingen fast 4 Jahre. Aber immerhin ist seit diesem Jahr die Prämie verdoppelt, was nur durch die Hartnäckigkeit von uns als Handwerk erreicht werden konnte. Oder schauen wir auf die ÜLU-Finanzierung. Der Bund hatte die Mittel im vergangenen Jahr erhöht, aber an die Bedingung geknüpft, dass auch der Freistaat seinen Anteil entsprechend erhöht. Auch hier waren wir hartnäckig und haben darauf gedrängt – mit Erfolg. Ob wir auch in den kommenden Jahren noch diese finanzielle Untersetzung haben, bleibt abzuwarten. Gegenwärtig sieht es von Seiten des Bundes eher nicht danach aus.
Erfolgreich waren wir aber auch als Kammer auf regionaler Ebene, was aber nicht weniger bedeutend ist. Als die Stadt Chemnitz eine Beherbergungssteuer einführen wollte, wären im ersten Entwurf auch unsere Azubis und Umschüler betroffen gewesen, die im Internat übernachten. Wir haben hier gegenüber Verwaltung und auch Stadtrat auf eine Änderung gedrängt – mit Erfolg. Und anders als beispielsweise in Leipzig, wo auch die Azubis die Steuer zahlen müssen, ist unser Nachwuchs in Chemnitz weiterhin befreit.
Sie sehen also, dass sich für uns als Kammer durchaus einiges bewegen lässt. Aber wir sind auch immer auf die Dialogbereitschaft und eben das oft genannte ‚offene Ohr‘ angewiesen. Und dieses Gehörtwerden ist leider nicht selbstverständlich – vor allem auf Bundesebene. Doch gerade hier, wo die größten Stellschrauben zur Lösung der Sorgen des Handwerks liegen, ist die Dialogbereitschaft schwierig.
Während wir in Sachsen das Gespräch mit der Staatsregierung oder dem Landtag suchen und auch finden, sieht es beim Bund anders aus. Der viel gepriesene Dialog findet nicht statt. Oder es gibt keinen Dialog, sondern nur den Monolog. Seit Dezember habe ich auch einen Sitz im Präsidium des ZDH, einer der fünf Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Doch selbst hier kommt kein Gespräch zustande beziehungsweise fehlt die Wertschätzung. Als kürzlich eine Klausurtagung des ZDH-Präsidiums stattfand, war für das sogenannte politische Spitzengespräch ein parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundesjustizministerium angekündigt. Abgesehen von der Stellung eines solchen Staatssekretärs wäre das Gespräch durchaus interessant gewesen, ging es doch um eines der Kernthemen des Handwerks: den Bürokratieabbau. Und was passiert: Das Gespräch wird kurzfristig aus Termingründen abgesagt und entfällt komplett. Auch so kann Wertschätzung aussehen.
Und doch wäre gerade das Gespräch in der aktuellen Lage für uns als Handwerk wichtig. Die Lage bleibt schwierig:
- Die Bauhaupt- und Ausbaugewerke blicken auf eine düstere Zukunft. Private Aufträge werden immer weniger, gleichzeitig ist die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand eher bescheiden – gerade wenn es um Angebotsänderungen aufgrund von Materialverfügbarkeiten und -preissteigerungen geht.
- Der Mangel an Fach- und Arbeitskräften verschärft sich immer mehr.
- Die Energiepreise sind zwar durch verschiedene Preisbremsen und Härtefallhilfen gedämpft, belasten aber immer noch auf hohem Niveau.
- Mit den Zinssteigerungen, die zwar auf der einen Seite die Inflationsrate senken sollen, verteuern sich zwangsläufig die Kredite, die die Betriebe wiederum für Investitionen benötigen.
- Die Bürokratie wird nicht weniger, sondern mehr.
- Die Unsicherheiten, welche Energieträger überhaupt noch zukunftsfähig und vor allem mittel- und langfristig beim Preis noch leistbar sind, werden stetig größer.
Und was macht die Politik im Bund? Sie beschäftigt sich mit sich selbst, hört entweder nicht richtig beziehungsweise gar nicht mehr zu oder noch viel schlimmer: Sie handelt stetig nach den eigenen parteipolitischen Grundpfeilern. Ob diese auch praxistauglich sind, wird nicht hinterfragt. So entsteht Unzufriedenheit und bei den von Natur aus eher kleineren Handwerksbetrieben an mancher Stelle auch die Erkenntnis, dass es sich eigentlich gar nicht mehr lohnt. Eine Aussage, die eigentlich bei uns, dem traditionsbewussten Handwerk so nicht dazu passt, aber eben immer mehr zum Fakt wird. Und das trotz meiner Aussage von vorhin, dass wir die Krise, die ich im November 2022 angedeutet hatte, eigentlich bisher halbwegs gut überstanden haben.
Doch was können wir gegen diesen – ich nenne es bewusst so – Missstand ausrichten? Können wir einfach darüber hinwegsehen? Können wir über unsere sächsische Staatsregierung Einfluss nehmen? Leider, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir das nicht. Wir können nur appellieren und mahnen, stets öffentlich und direkt. Aber immer auch so, dass wir nicht in den Populismus abgleiten. Unsere heute zu beschließende Resolution soll eine Antwort darauf sein. Sie soll uns, letztlich jedem Handwerker im Kammerbezirk, aber auch Leitplanke sein. Eine Leitplanke, mit der wir deutlich machen, was jetzt, wo die Hälfte der Legislaturperiode und somit die Amtszeit der Ampelkoalition vorüber ist, geschehen muss. Nutzen Sie bitte die genannten vier Punkte:
- im Betrieb innerhalb der Belegschaft,
- im Gespräch mit anderen Handwerkerinnen und Handwerkern,
- im Gespräch mit Familie und Freunden,
- im Gespräch auch mit Vertretern aus Politik und Verwaltung vor Ort, im Landkreis, im Freistaat und auch auf Bundesebene.
Nur so können wir als Handwerk zeigen, was wir brauchen, um gut durch diese Zeit zu kommen und bereit zu sein für den Transformationsprozess unserer Wirtschaft und Gesellschaft.
Denn eigentlich haben wir mit den in der Resolution aufgestellten Forderungen genau das aufgeschrieben, was die drei Regierungsparteien vor der Bundestagswahl versprochen haben.
So hieß es 2021 im Wahlprogramm der den Bundeskanzler stellenden SPD:
'Wir stehen an der Seite der vielen Unternehmen, die ihre soziale, gesellschaftliche und ökologische Verantwortung ernst nehmen. Das Handwerk ist der entscheidende Partner, damit die Klimawende vor Ort gelingt. Wir werden das Handwerk fördern…'
Bei den Grünen, die mit Robert Habeck den Bundeswirtschaftsminister stellen, heißt es wiederum:
'Klimagerechter Wohlstand bedeutet Ökologie und Soziales zusammenzudenken und den Übergang gut zu gestalten: für Menschen in der Stadt und auf dem Land. Für die Handwerkerin wie für den Stahlarbeiter.'
Zu guter Letzt die FDP, bei der Bundesfinanzminister Lindner über die Ein- und Ausgaben wacht:
'Ob Freie Berufe, Handwerk, Kultur- und Kreativwirtschaft oder Dienstleistungsbranche: Selbstständige sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse. Mit unterschiedlichen Reformansätzen wollen wir die Selbstständigkeit erleichtern, sie als Selbstbestimmung ernst nehmen und für mehr öffentliche Wertschätzung von Selbstständigen sorgen.'
Ich erspare uns jetzt noch Auszüge aus dem Koalitionsvertrag. Eines wird bei den Zitaten aber deutlich: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.
Wo steht die Bundes-SPD denn an der Seite der Unternehmen, wenn sie zum Beispiel über einen ihrer Minister eine Ausbildungsplatzgarantie einführt, die aber eigentlich gar nicht benötigt wird?
Wo ist denn jener klimagerechter Wohlstand für Stahlarbeiter und Handwerker, den die Grünen benennen, wenn gleichzeitig die Großindustrie über einen Industriestrompreis besonders unterstützt werden soll und, energieintensive Handwerke aber leer ausgehen?
Und wo wird denn, wie von der FDP angekündigt, Selbstständigkeit erleichtert, wenn gleichzeitig die bürokratischen Hürden immer größer werden, beispielsweise bei Betriebsübergaben?
Ich habe keine Antworten auf diese Fragen. Wenn ich unsere regionalen Bundestagsabgeordneten dazu frage, bekomme ich zwar eine Antwort, die aber oftmals auch nicht weiterhilft. Oder aber man wird vertröstet, dass man sich die Probleme annimmt. Zeiträume werden dabei nicht genannt. Aber gerade diese Zeit haben wir nicht mehr.
Das beschriebene Auseinanderklaffen von Anspruch oder auch Versprechen und der Realität können wir als Gesellschaft und als Wirtschaft uns nicht leisten, weder kurz- noch mittel- und langfristig. Es müssen jetzt, in dieser Legislaturperiode, die entscheidenden Weichenstellungen vorgenommen werden, um positiver in die Zukunft zu blicken. Daher die Resolution.
Lassen Sie uns gemeinsam für das Handwerk im Kammerbezirk und am Ende auch in Sachsen und Deutschland arbeiten. Ohne uns geht es nicht. Das müssen wir uns immer wieder vor Augen halten. Und es ist auch stets ein gewichtiges Argument, dass es jetzt die von mir bereits genannten Weichenstellungen braucht. Ansonsten lässt sich vieles, was wir in Zukunft vorhaben, nicht umsetzen.
Herzlichen Dank!"