Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Vollversammlung

Am 15. Juni tagte die Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz. Folgende Rede hielt Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Begrüßung:

Es gilt das gesprochene Wort!

"Liebe Handwerkskolleginnen und Handwerkskollegen,

herzlichen Willkommen zur ersten Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz im Jahr 2024, einem sehr spannenden und auch herausfordernden Jahr, in dem es viele Weichenstellungen gibt und noch geben wird.

Klar ist, für das Handwerk und die Wirtschaft im Allgemeinen ist jedes Jahr eine Herausforderung – mindestens seit 2020 mit dem Auftreten eines Virus, von dem glücklicherweise heute kaum noch jemand spricht. Hoffen wir, dass es so bleibt. Aber auch die politischen Entwicklungen rund um den Globus haben weiterhin Einfluss auf das Handwerk im Kammerbezirk. Vieles davon können wir als Kammer und kann auch der Einzelne im Erzgebirge, in Mittelsachsen, im Vogtland, im Zwickauer Land oder in der Stadt Chemnitz nicht beeinflussen – obwohl wir die Folgen alltäglich spüren. Wo wir aber alle Einfluss nehmen können, das ist über die Wahlen. Die ersten beiden Urnengänge fanden am vergangenen Sonntag statt – mit Europa und Kommunal auf eigentlich zwei ganz unterschiedlichen Ebenen. Beide haben dennoch große Bedeutung für uns,

  • sei es durch die europäische Gesetzgebung, die oftmals Folgen selbst für kleine Handwerksbetriebe im Kammerbezirk hat und haben wird – ich erinnere nur an das Lieferkettengesetz –
  • oder sei es durch den Kindergartenneubau vor Ort, an dem ganz viele Gewerke mitwirken. Und jene, die nicht mitwirken, wie zum Beispiel eine Bäckereifachverkäuferin, profitieren dann von einer besseren Kinderbetreuung.

Mit jedem Kreuz, das wir machen, treffen wir eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung. Niemand kann auf genau diese persönliche Entscheidung Einfluss nehmen. Bei der Entscheidungsfindung darf man sich aber gern beraten lassen. Die Kandidaten stehen für Fragen in der Regel jederzeit zur Verfügung und versuchen, den potentiellen Wähler von sich und seinem Programm zu überzeugen – eine schöne Situation, die es so in vielen Teilen der Welt, ja selbst in Europa, nicht überall gibt.

Umso wichtiger ist es daher, dass wir von diesem Wahlrecht Gebrauch machen, egal ob man jetzt zum Beispiel die Europäische Union gut findet oder nicht, egal ob man jetzt diesen oder jenen Stadtrat oder Bürgermeister gut findet oder nicht.

Und genauso sollten wir alle auch mit Blick auf die Landtagswahlen im September handeln: Wählen gehen und damit für eine hohe Wahlbeteiligung sorgen, ist die beste Legitimation, die man sowohl einem Landtagsabgeordneten als auch am Ende der Staatsregierung mit an erster Stelle dem Ministerpräsidenten geben kann. Natürlich ist jede Wahl auch eine Bewertung für die bisher erbrachten Leistungen. Was man dabei aber stets bedenken sollte: Es können und sollten auch nur jene Leistungen bewertet werden, auf die der jeweilige Kandidat wirklich Einfluss nehmen kann. Die verschiedenen deutschlandweiten Wahlen – gerade auf Landesebene – der vergangenen Monate haben gezeigt, dass diese gern für eine Abrechnung für die Politik im Bund oder in Europa verwendet wird. Das sollten wir aber nicht tun, sondern vielmehr stets beim Wählen den Fokus auf die Landesthemen legen. Nur so kann jene positive Entwicklung, die Sachsen seit 1990 gegangen ist, auch weitergeführt werden.

Es ist dabei zweitrangig, wer an der Staatsregierung beteiligt ist. Wichtig ist, dass diese die richtigen Entscheidungen trifft, wofür sie eben eine Legitimation durch den Wähler erhalten hat.

Nun kann man viel über die aktuelle Staatsregierung schimpfen. Auch das Handwerk ist hierbei keineswegs kleinlaut und zurückhaltend. Zurecht, aber auch zu unrecht. Nach fünf Jahren in der sogenannten Kenia-Koalition bietet sich ein Rückblick. Worüber haben wir denn zurecht geschimpft und wo hätten wir vielleicht auch eher mehr Zurückhaltung zeigen sollen? Aber fangen wir doch beim Positiven an:

  • Die Verdopplung des Meisterbonus – auch wenn sie erst kurz vor Ende der Legislaturperiode kam – ist ein großer Erfolg.
  • Dass wichtige Förderprogramme beibehalten wurden oder gar wie beispielsweise mit dem Reparaturbonus neue Programme eingeführt wurden, ist richtig.
  • Die anteilige Finanzierung des Freistaats bei der ÜLU darf auch nicht vergessen werden – vor allem, wenn man bedenkt, dass auf Bundesebene hier immer wieder Mittelkürzungen im Raum stehen.
  • Gelobt werden sollte daher auch, dass die Staatsregierung – mal mehr und mal weniger laut – klare Kante gegenüber Entscheidungen des Bundes gezeigt hat, um so die Interessen Sachsens und des sächsischen Handwerks zu vertreten.

Geschimpft haben wir über die Pläne für ein neues Vergabegesetz, das zum Glück an der CDU-Fraktion und am Ministerpräsidenten gescheitert ist. Nicht immer nachvollziehbar an der ein oder anderen Stelle war sicherlich die Corona-Politik des Freistaates beziehungsweise das Hin und Her bei den Entscheidungen – siehe nur als ein Beispiel die Friseur-Schließungen, obwohl Barber-Shops offen bleiben konnten. Auch die nicht notwendigen Gesetze zur Gleichstellung oder zur Transparenz haben nicht viel gebracht.

Es gäbe noch vieles mehr und jeder von uns wird sicherlich genau darüber nachdenken, wo er und vor allem aus welchem Grund er sein Kreuz genau an jener Stelle machen wird. Hauptsache ist: Das Recht zur Stimmabgabe auch zu nutzen.

Eine solche Stimmabgabe gab es auch Mitte Mai in Dresden, wo über einen neuen SHT-Präsidenten abgestimmt wurde. Dass der neue Präsident erneut aus dem Kammerbezirk Dresden kommt und sein Vize Kammerpräsident in Dresden ist, ist die eine Sache. Unabhängig davon sollte man auch einmal die Rolle des SHT näher betrachten. In seiner letzten Rede als bisheriger SHT-Präsident zählte Jörg Dittrich alles auf, was der SHT in den vergangenen drei Jahren erreicht hat. Laut seinen Worten sehr viel. Schaut man sich aber mal genauer die einzelnen Punkte an, so wird man feststellen, dass der SHT eher ein zahnloser Tiger ist. Die wirkliche Einflussnahme für das Handwerk geschieht an anderer Stelle:

Bei Bundes- und Europathemen versucht der ZDH sein Bestes und nimmt Einfluss auf die Gesetzgebung – in den meisten Fällen auch unter Einbeziehung der Kammern. Auf Landesebene sind es entweder die drei Handwerkskammer allein oder gebündelt innerhalb der AG.

Solange wie die Dresdner Kammer den Vorsitz im SHT innehat, das heißt seit Juni 2021, haben wir den Vorsitz der AG. In dieser Zeit wurden mehr als 70 Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen abgegeben, Pressemitteilungen und Statements veröffentlicht oder Schreiben an Abgeordneten im Land, Bund und Europa gesendet. Hinzu kommen noch Pressekonferenzen, direkte Gespräche mit Entscheidungsträgern und auch die Mitarbeit in den unterschiedlichsten Gremien. Und was leistet der SHT? Hier kommt dafür in regelmäßigen Abständen ein Statement des Präsidenten oder Geschäftsführers zu politischen Entscheidungen, meistens dann nur von den Dresdner Medien aufgegriffen. Vielmehr ist das nicht. Der Handwerkstag ist sicherlich als gemeinsam von Kammern und Verbänden getragene Institution eine wichtige Einrichtung zur Außendarstellung des gesamten Handwerks. Die wirkliche Arbeit wird aber nicht dort gemacht – auch wenn die Kollegen in Dresden das anders sehen und vielleicht auch nicht wahrhaben wollen und – ohne irgendjemand etwas zu unterstellen – sicherlich auch ab und an den Kopf über die Chemnitzer Kammer schütteln. Aber das halten wir aus, denn wir wissen, dass wir gute Arbeit machen.

Das zeigen auch die Resolutionen, die wir fast schon traditionell in unseren Sommer-Vollversammlungen beschließen. Im Dresdner Kammergebäude entsteht damit manchmal Aufregung, die Medien greifen die Inhalte gern auf und gegenüber den Adressaten wird eindrücklich unser Ansinnen dahinter dargestellt. Und für uns selbst definieren wir Leitplanken und können offener die Forderungen und natürlich auch Kritiken vertreten. In diesem Jahr machen wir damit keine Ausnahme – zumal wir ein Thema aufgreifen, das bereits 2017 in einer Resolution vorkam und nichts an seiner Aktualität verloren hat.

Wir alle wissen, wie wertvoll und wichtig die Berufsausbildung im Handwerk ist und können daher keinerlei Abstriche daran akzeptieren. Statt aber die Hinweise und Forderungen des Handwerks zu beachten und die duale Berufsausbildung weiter zu stärken, gibt es immer wieder Versuche seitens der Politik – vor allem im Bund –, diese zu schwächen:

  • Es braucht kein neues Berufsvalidierungsgesetz, das alternative Qualifikationswege möglich macht.
  • Teilqualifikationen machen ebenso keinen Sinn, wenn sich die Ausbildung im Betrieb zusammen mit dem Besuch der Berufsschule und der ÜLU mehr als nur bewährt haben.
  • Mittelkürzungen zu Lasten der dualen Berufsausbildung darf es genauso wenig geben.

Das sind die Forderungen, die wir mit dieser Resolution haben und die wir einmal mehr an die Politik Stellen werden. Nur als gesamtes Handwerk, das diese Vollversammlung für den Kammerbezirk vertritt, können wir agieren und schlagkräftig auftreten.

Dass das nicht immer und überall der Fall sein kann, steht außer Frage und ist nachvollziehbar. Wir dürfen uns als Handwerk aber nicht selber schwächen – gerade an Stellen, wo es nicht notwendig ist. So sind zum Beispiel dieInnungen in der Regel ein sehr schlagkräftiger Zusammenschluss, um die Gewerke-spezifischen Interessen zu vertreten – alles geregelt in der Handwerksordnung. Nicht nachvollziehbar und daher eher eine Schwächung des Handwerks sind dabei aber jene Innungen, die sich einer gesetzlich vorgeschriebenen Fusion widersetzen. Das bringt keine Vorteile und sorgt vielmehr zu Unzufriedenheit bei uns im Handwerk.

Eine Unzufriedenheit, die wir uns in der aktuellen politischen und damit einhergehend konjunkturellen Lage nicht erlauben dürfen. Die Betriebe des Handwerks sind der wichtigste Pfeiler für diese Interessenvertretung. Aber auch die Institutionen nehmen eine wichtige Rolle ein. Dazu gehören nun eben mal die Innungen, aber auch die Kreishandwerkerschaften und die Handwerkskammern. Das Hauptamt ist auf solche funktionierenden Strukturen angewiesen. Dass das bei uns im Kammerbezirk bisher immer gut funktioniert hat, sehen wir auch an bestimmten Kennziffern. Zwei Beispiele möchte ich Ihnen dabei nennen und diese mit einem Dank an die Mitarbeiter in der Handwerkskammer verbinden:

  1. Hatten wir 2016 im BTZ in Plauen gerade mal eine Auslastung von rund 38 Prozent, so sind wir jetzt bei fast 80 Prozent.
  2. Sie werden heute noch über den Jahresabschluss für 2023 entscheiden. Die positiven Zahlen zeigen einmal mehr, wie wir als Kammer wirtschaften – keine Selbstverständlichkeit mit Blick auf viele andere der 52 Handwerkskammern in Deutschland.

Beides war und ist nur möglich dank der konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Ehren- und Hauptamt. Beide Seiten unterstützen sich, sind offen für neue Ideen und setzen diese auch gern um, stets zum Wohle des Handwerks!

Natürlich könnte man zu eben jenem Wohle jetzt auch mit Blick auf den Jahresabschluss die Höhe des Kammerbeitrages zur Diskussion stellen. Aber wollen wir das wirklich? Statt solide zu haushalten und Rücklagen aufzubauen, den Beitrag wieder senken? Aus meiner Sicht ist das nicht der richtige Weg, auch wenn ihn einige Kammern gehen. Das erzielte positive Ergebnis hilft uns am Ende auch bei notwendigen Investitionen, die in Zukunft anstehen. Ich denke dabei nur an das BTZ oder das Internat. Wir haben hierzu auch das Heinz-Piest-Institut mit einer Studie beauftragt, um den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln, Die Ergebnisse sollten bis zu unserer Vollversammlung im November vorliegen und der Leiter des Instituts, Herr Dr. Welzbacher, ist bereits eingeladen, Ihnen dann diese Studienergebnisse vorzustellen. Außerdem sollte man immer bedenken: Kommen andere, schlechtere Zeiten, sind wir dann eben gerade nicht gezwungen, zu erhöhen, sondern können weiter arbeiten und das Handwerk im Kammerbezirk Chemnitz voranbringen. Lassen Sie uns also den eingeschlagenen Weg weitergehen.

Herzlichen Dank!"

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