Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Vollversammlung

Am 16. November tagte die Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz. Folgende Rede hielt Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich der Begrüßung:

Es gilt das gesprochene Wort!

"Liebe Handwerkskolleginnen und Handwerkskollegen,

herzlichen Willkommen zur zweiten Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz im Jahr 2024.

Als wir uns im Juni in Zwickau getroffen haben, habe ich bei meiner Begrüßung gleich zu Beginn von einem sehr spannenden und auch herausfordernden Jahr gesprochen, in dem es viele Weichenstellungen geben wird. Spätestens der 1. September und die dortigen Wahlergebnisse haben gezeigt, dass tatsächlich große Weichenstellungen vor uns liegen und es spannend zu beobachten ist, wie damit im Landtag umgegangen werden wird. Dann kam der 6. November, der sowohl weltpolitisch als auch in Berlin und Sachsen die Weichen wieder anders stellte. Wir beobachten das alles nicht nur als Bürger und somit Wähler, sondern auch als Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Handwerk – zuallererst natürlich mit den Blick nach Dresden in Richtung Staatskanzlei und Landtag.

Doch wie gehen wir mit den Wahlergebnissen und der schwierigen Suche nach einer Mehrheit für eine neue sächsische Staatsregierung um? Warten wir ab und hoffen mit Blick auf die Wahlprogramme, dass die ganzen Handwerk-freundlichen Ideen so kommen?

Oder sagen wir uns als Handwerk: Wenn wir nicht explizit auf die drängendsten Probleme hinweisen – und davon gibt es bekanntlich eine ganze Menge –, bleiben diese Themen bei Koalitionsverhandlungen außen vor. Versprechungen sind in Wahlprogrammen schnell aufgeschrieben. Ob sie auch umgesetzt werden, steht dann auf einem anderen Blatt, genauer gesagt dem Blatt, auf dem der Koalitionsvertrag geschrieben wird.

Natürlich kann nicht alles, was das Handwerk aktuell bewegt und besser werden muss, in Dresden entschieden haben. Bei vielen müssen wir den Blick nach Brüssel oder Berlin richten. Aber gerade jetzt, wo in der deutschen Hauptstadt so vieles im Unklaren ist und Europa sich auf neue transatlantische Herausforderungen einstellen muss, müssen wir als Handwerk und als Vollversammlung gerade diesen Blick noch stärker nach Dresden richten. Jetzt haben wir die Chance, unsere Punkte zu platzieren, die uns wichtig sind und damit auch gleichzeitig deutlich zu machen, dass wir viel Hoffnung in eine neue Staatsregierung setzen. Hoffnung, um das Land fit für die Zukunft zu machen, was bekanntlich nur mit einem starken Handwerk gehen wird.

Die Lage im Handwerk der Region bleibt schwierig und sie war vor allem schon einmal deutlich besser. Das zeigen uns auch die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage, wenngleich – wie so oft – zwischen den Gewerken durchaus große Unterschiede bestehen. Was aber eint: Es muss sich etwas bewegen, damit wirklich die Talsohle endlich vollständig durchschritten und hinter uns gelassen werden kann.

Wir legen Ihnen heute unter dem Punkt ‚Sonstiges‘ ein Forderungspapier vor, das all jene Themen zusammenfasst, die zeitnah angegangen werden müssen, und klare Leitplanken setzt, was nicht sein darf – vieles davon auch mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre mit einer sächsischen Staatsregierung aus CDU, Grünen und SPD.

Lassen Sie mich daher kurz auf die Punkte in diesem Forderungspapier eingehen:

Erstens: Oft hat sich die sächsische Wirtschaft, haben wir Kammern, in den letzten Jahre die Frage gestellt, welches Ministerium man anspricht, wenn es um Wirtschaftsförderung geht, wenn es um Bauen geht, wenn es um Energie geht: Die Antwort auf die Frage war: Immer ein anderes Haus, jeweils ausgestattet mit einem Minister der drei Parteien. Genauso groß wie die Zahl der anzusprechenden Ministerien war auch deren Kompetenz – von engagiert, über zu fokussiert auf einzelne Themen bis hin zu an manchen Stellen schlicht überfordert.

Das darf so in einer neuen Staatsregierung keine Fortsetzung finden. Wir brauchen einen zentralen Ansprechpartner für alle wirtschaftlichen Themen, der sich pragmatisch für die Betriebe einsetzt – weitestgehend ideologiebefreit und stets im Dialog.

Zweitens: Im gleichen Atemzug muss auch endlich der immer größer werdende Personalaufwuchs in der Staatsregierung gestoppt werden. Lehrer und Polizei sind natürlich ausgenommen. Auf der einen Seite fehlt das Geld für dringend notwendige Investitionen. Und auf der anderen Seite wird stetig weiter Personal in den Verwaltungen aufgebaut, obwohl mit Blick auf Digitalisierung und veränderte Aufgabenfelder das nicht zwingend notwendig ist. Gleichzeitig hält man an Doppelstrukturen – ich sage nur drei Ministerien für wirtschaftliche Themen – fest oder schafft Einrichtungen, die es nicht braucht.

Drittens: Muss ich zur Bürokratie noch etwas sagen? Wir alle spüren, dass diese nicht weniger wird, sondern eher mehr – obwohl man immer wieder das Bekenntnis hört, jetzt endlich was dagegen unternehmen zu wollen.

Auf europäischer Ebene und im Bund scheint dieses Ansinnen noch schwieriger zu sein, als im Freistaat. Oder spüren Sie schon etwas von einem der Bürokratieentlastungsgesetze? Oder haben Sie seit der Mitte Oktober erfolgten Ankündigung des Bundeskanzlers, das Lieferkettengesetz auszusetzen, wieder etwas davon gehört?

Bürokratie ist ein schwieriges Feld, vor allem wenn es eine jahrzehntelang gelebte Praxis ist. Vielleicht haben die Wahlen in Sachsen aber doch zur Einsicht geführt, dass hier etwas passieren muss. Wir sollten daher als Handwerk auch laut einfordern:

  • Zum einen ein Bürokratiemoratorium, das jegliche neue Bürokratie ausschließt.
  • Zum anderen wäre es zur langfristigen Lösung dieses Problems angebracht, den Bürokratieabbau zu institutionalisieren: Behörden als Verursacher und Betriebe als Betroffene arbeiten gemeinsam strukturiert, auf Basis einer Geschäftsordnung und regelmäßig am Abbau der Bürokratie. Das wäre ein starkes Zeichen, dass es alle ernst meinen und gemeinsam etwas erreichen wollen, das nachhaltig ist. Blaupause könnte die Fachkräfteallianz und deren struktureller Aufbau sein. Zwar war auch hier nicht alles ideal. Aber alle Beteiligten haben konstruktiv am Thema gearbeitet und konkrete Lösungsvorschläge gemacht.

Wenn wir als Kammer in die Koalitionsverhandlungen daher eine ‚Allianz für Bürokratieabbau‘ einbringen, wäre das eben jenes starke Zeichen, von dem viele profitieren könnten.

Der vierte Punkt betrifft letztlich die Grundlage unseres wirtschaftlichen Handelns, ohne die kein Betrieb existieren kann: Gut ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte. Dass hier der Mangel eher größer statt kleiner wird, wissen wir alle. Die Ausbildung ist daher das Stichwort, mit dem sich viel gegen besagten Mangel machen lässt: Wer ausbildet, der versorgt das Handwerk auch in Zukunft mit gutem und hochqualifiziertem Personal.

Bessere Bedingungen für die duale Berufsausbildung beziehungsweise überhaupt für Bildung sind ein Dauerthema – zurecht. Wir sollten daher auch hier weiter konsequente Forderungen aufstellen:

  • Mehr Lehrer, nicht nur an Oberschulen und Gymnasien, sondern auch an Grundschulen und beruflichen Schulzentren.
  • Eine verpflichtende Berufsorientierung.
  • Die in vielen Ländern bereits erfolgreich eingeführte Prämie für Ferienpraktika im Handwerk.
  • Eine zielgenaue Überarbeitung und Anpassung der Teilschulnetzplanung sowie ausreichende Unterkunftsmöglichkeiten vor Ort. Das Ziel muss sein, dass die Azubis davon profitieren und nicht von einer Ausbildung abgehalten werden.
  • Und abschließend: Die Verstetigung der ÜLU-Förderung sowie mehr Mittel für Investitionen in die Bildungsstätten.

Mir ist bewusst, dass das viele Forderungen sind. Aber es sind eben auch jene Punkte, die besonders wichtig sind und auf die wir immer wieder aufmerksam gemacht werden. Und wie ich zu Beginn schon sagte: Bleiben wir still, wird sich nichts verbessern.

Mein letzter Punkt aus dem Forderungspapier ist das Thema Vergabegesetz. In den vergangenen Vollversammlungen hatte ich Ihnen immer wieder über die Novellierung des sächsischen Gesetzes berichtet, die wir bisher erfolgreich verhindern konnten. Ob ein neuer Anlauf für eine Novellierung in einer neuen Regierungskoalition genommen wird, muss man abwarten. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch und wir wissen nicht, wie dieses Vergabegesetz als Verhandlungsmasse eingesetzt wird.

Umso wichtiger ist es daher, hier Pflöcke einzuschlagen und klar zu machen, dass im Falle einer Novellierung ein schlankes und anwendbares Gesetz rauskommen muss, frei von vergabefremden Kriterien. Das gilt auch für das Vergabegesetz des Bundes, wo erste Entwürfe leider auch eben jene vergabefremden Kriterien beinhalten – trotz Mahnungen von Seiten der Anwender. Ob dieses aber kommen wird, ist nach der vergangenen Woche doch sehr fraglich.

Ich denke, dass wir mit diesem Forderungspapier noch einmal deutlich machen können, wo auf Landesebene jene Stellschrauben liegen, die man drehen muss, damit es dem Handwerk besser geht. Wir haben diese Forderungen auch schon vor der Wahl in verschiedenen Formaten platziert. Wir haben auch die Wahlprogramme studiert und festgestellt, dass neben allerhand wenig hilfreichen Dingen auch viel Handwerk-freundlicher Inhalt zu finden ist. Und wir haben auch in Gesprächen gezeigt, was das Handwerk bewegt und was besser werden muss.

Dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen, sollte uns bewusst sein. Aber sie zu äußern, das sind wir den Mitgliedsbetrieben schuldig. Das ist die Aufgabe von uns als Vollversammlung genauso wie vom Hauptamt. Und wo, wenn nicht auf Landesebene, ist der Einfluss von uns noch mit am größten? Die Kontakte sind in der Regel vorhanden.

Zwar müsste auch vieles auf Bundesebene geschehen und konsequentes Handeln zum Schwerpunkt der Bundesregierung gehören. Die Notwendigkeit ist da und mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks sollten wir eigentlich auch ein Sprachrohr vor Ort haben. Der ZDH definiert seine Rolle aber ein Stück weit anders, zumindest wenn man den Worten des Präsidenten Jörg Dittrich Glauben schenken darf, der in seiner Rede zur ZDH-Vollversammlung im Oktober sagte:

'Der ZDH ist Dachorganisation und kann nur Moderator sein. Die Diskussionen, die Einsicht in erkannten Veränderungsbedarf müssen in Innungen, Kreishandwerkerschaften, Verbänden und Kammern, in Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften und am besten auch zwischen diesen Organisationen stattfinden.'

Nun gut, wenn der ZDH seine Aufgabe so sieht, müssen wir es anerkennen. Vielleicht ist es aber auch die Einsicht, dass wir Kammern es am Ende eh besser machen. Lassen Sie uns daher gemeinsam aktiv für das Handwerk wirken – gerade mit Blick auf die neue sächsische Staatsregierung und die kommenden fünf Jahre, in denen diese den Freistaat, seine Bürger und die Betriebe voranbringen will und hoffentlich auch wird.

Herzlichen Dank!"

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