Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Rede von Kammerpräsident Frank Wagner anlässlich des Frühlingsempfangs der Handwerkskammer Chemnitz

Am 12. Mai 2022 fand in Aue der Frühlingsempfang der Handwerkskammer Chemnitz statt. Der Präsident der Handwerkskammer, Frank Wagner, hielt dabei folgende Rede:

Es gilt das gesprochene Wort!

 

"Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich möchte Sie alle ganz herzlich zum Frühlingsempfang der Handwerkskammer Chemnitz hier in Aue begrüßen, und zwar so, wie es sich für diese Stadt und Region gehört: Mit einem herzlichen „Glück auf“!

Es ist unser erster Frühlingsempfang seit Anfang April 2019. Seit dem, seit diesen genau 1.134 Tagen, ist viel passiert – das wissen sie genauso gut wie ich. Und umso mehr sollten wir diesen heutigen Tag nutzen,

  • um ins Gespräch zu kommen,
  • um zu diskutieren und vielleicht auch zu kritisieren,
  • um sich Gehör zu verschaffen und
  • um vielleicht auch über die ein oder anderen Sorgen und Nöte oder Erfolge zu berichten.

Ich freue mich, dass Sie heute alle so zahlreich erschienen sind. Besonders begrüßen möchte ich Herrn Staatsminister Dulig.

Als den Hausherr oder vielleicht besser die Hausherren begrüße ich mit einem kräftigen „Glück auf“ Herrn Landrat Vogel, Herrn Oberbürgermeister Kohl sowie Herrn Leonhardt als Präsidenten des FC Erzgebirge Aue.

Ein herzliches Willkommen geht auch an die Abgeordneten des deutschen Bundestages und des sächsischen Landtages, an die Oberbürgermeister und Bürgermeister der Region, an die Vertreter der Behörden, von Schulen, Banken und Versicherungen.

Nicht vergessen möchte ich als die eigentlichen Protagonisten heute die Vertreter des Handwerks:

Sehr geehrte Herren Präsidenten und Vizepräsidenten, sehr geehrte Landesinnungsmeister, sehr geehrte Kreishandwerksmeister, sehr geehrte Obermeister, sehr geehrte Vorstandskollegen und Mitglieder der Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz, liebe Handwerkerinnen und Handwerker, seien Sie alle herzlich willkommen!

Zum letzten Frühlingsempfang habe ich folgenden Satz zu Ihnen gesagt: „Europa ist heute ein friedlicher Kontinent.“ Ich habe diesen Satz aus voller Überzeugung gesagt und wir allen konnten uns letztlich bis zum 24. Februar diesen Jahres nicht vorstellen, dass solche über Jahrzehnte geltenden allgemein verbindlichen Aussagen plötzlich nichts mehr zählen. Ein schrecklicher Krieg tobt auf unserem Kontinent, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Unschuldige Menschen sterben, Städte und Dörfer werden zerstört, ein ganzes Land leidet.

Neben dem menschlichen Leid, spüren auch wir die Folgen des Krieges, zuerst natürlich durch die Flüchtlinge, für die Deutschland ein Ort ist, an dem sie sicher sind vor Bomben, Panzern und Gewehren.

Gleichzeitig zeigt uns der Krieg, wie anfällig unsere Wirtschaft für solche Ereignisse ist. Die Corona-Pandemie war schon ein solcher Einschnitt und hat uns viel abverlangt. Der Krieg in der Ukraine stellt aber nochmal alles in den Schatten:

  • Lieferketten reißen ab, weil Zulieferer nicht mehr produzieren können.
  • Rohstoffe werden nicht mehr in ausreichendem Maße auf den Märkten angeboten oder sind knapp. Die Preise schießen in die Höhe.
  • Betriebe drosseln aus Wirtschaftlichkeitsgründen ihre Produktion, weil Märkte verloren gehen und es billiger ist, zu schließen oder runterzufahren.
  • Bei Benzin und Diesel zeigen die Preistafeln an den Tankstellen derzeit Beträge in ungeahnter Höhe.
  • Und als Damoklesschwert schwebt über uns seit Kriegsbeginn die Gefahr eines Lieferstopps für russisches Gas.

Wir wissen derzeit nicht, wie sich die Lage weiter entwickeln wird. Was wir aber sehen ist, dass die Wirtschaft in ganz Europa mit den Folgen des Krieges zu kämpfen hat. Das Handwerk im Kammerbezirk bildet dabei keine Ausnahme.

Natürlich müssen wir uns einschränken und uns solidarisch zeigen mit den Menschen in der Ukraine. Es ist aber immer auch eine Abwägungssache, welche Einschnitte wir in Kauf nehmen können, ohne dass deren Folgen noch gravierendere Ausmaße einnehmen. Ich bin froh, dass Bundes- und Landesregierung hier sehr besonnen agieren.

Die beschlossenen Entlastungen vor allem bei den Benzin- und Dieselpreisen sind richtig, wenngleich ich mir natürlich schon gewünscht hätte, dass diese zum einen nicht erst ab Juni gelten und zum anderen auch über den geplanten Zeitraum von 3 Monaten hinaus Anwendung finden. Gerade Handwerksbetriebe, die auf Fahrzeuge angewiesen sind – und das sind nun mal die meisten – brauchen eine langfristige Entlastung. Denn eine Entspannung der Lage ist nicht absehbar. Hier muss vom Bund noch mehr kommen, ansonsten rutschen viele Betriebe in eine existenzielle Krise, wenn sie ohnehin nicht schon drin stecken. Wir sind in einer weltwirtschaftlichen Krise, die mit Corona begonnen hatte und jetzt durch den Ukraine-Krieg nochmals an Fahrt gewinnt. Da bedarf es aktuell mehr als nur einer dreimonatigen Preissenkung, der Streichung einzelner Umlagen oder Einmalzahlungen an Haushalte.

Ich rede hier aber bisher nur von Benzin und Diesel. Was ist mit Getreide, mit Stahl, mit weiteren Rohstoffen oder ganz speziell mit Gas? Vor allem Letzteres und die damit verbundene Unsicherheit bereiten nicht nur dem Handwerk, sondern vor allem auch der Industrie große Sorgen. In unseren Augen darf es hier keine Experimente geben, getreu dem Motto: Wir probieren einfach mal, wie weit wir ohne russisches Gas kommen. Natürlich gibt es Wissenschaftler, die einschätzen, dass ein Embargo möglich und für die Wirtschaft händelbar wäre. Ganz genau ausrechnen können sie die Folgen aber auch nicht. Und wenn man das nicht kann, so sollte man die Finger davon lassen, solange es keine mengenmäßigen und vor allem halbwegs preislichen Alternativen gibt.

Sorgen haben die Betriebe des Handwerks durch den Krieg in der Ukraine genug. Die Sanktionen sind richtig, aber sie dürfen uns nicht mehr schaden, als dem, gegen den sie gerichtet sind.

Und sie dürfen unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht gefährden. Denn Hilfe und Unterstützung für die Ukraine können wir nur mit einer intakten Wirtschaft und die Energiewende nur mit einem starken Handwerk leisten.

Es ist auch für mich ungewöhnlich, dass ich in diesem Zusammenhang einen Bundeswirtschaftsminister der Grünen zitieren möchte, aber er hat mit seinen Worten von Anfang April Recht:

'Es ist nicht klug, etwas zu tun, was man nicht durchhalten kann.'

Natürlich wird auch diese ernste Situation hoffentlich irgendwann ein Ende finden. Sie allein wäre schon Herausforderung genug. Aber die Liste mit den Sorgen, Nöten und Problemen unserer Handwerksbetriebe ist noch länger. Sie brauchen nur auf den Bau zu schauen.

Wenn wir am kommenden Donnerstag die Ergebnisse der aktuellen Frühjahrskonjunktur-Umfrage vorstellen, wird eines deutlich werden: Es gibt eine robuste Nachfrage nach Bauleistungen. Sowohl im Bau- als auch im Ausbaugewerbe hat sich die Lage im Vorjahresvergleich deutlich positiv entwickelt. Und der Bau war ohnehin jener Bereich, der mit am besten durch die Corona-Krise gekommen ist.

Das klingt alles gut, versteckt aber ein Stück weit die Probleme, die mit der guten Nachfrage einhergehen.

Für die Betriebe ist es aktuell ein Blick in eine Glaskugel, die aber leider nicht anzeigt, wie sich die Einkaufspreise entwickeln werden und ob das gewünschte Material auf dem Markt überhaupt verfügbar ist. Der Preis im Großhandel beispielsweise für Holz oder Baustahl, der heute aufgerufen wird, kann in wenigen Tagen deutlich höher liegen. Kalkuliert wurde aber mit dem niedrigeren Preis, um auch ein angemessenes Angebot abgeben zu können. Wenn es dann tatsächlich an den Einkauf geht, stehen die Bauunternehmen vor dem Problem, dass solche Preise nicht mehr gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden können – gerade wenn es um Bauprojekte der öffentlichen Hand geht.

Hier muss ich auch direkt eine Forderung adressieren an die heute anwesenden Vertreter von Freistaat, Landkreisen und Kommunen:

  • Der Bund hat es vorgemacht und öffnet die Option für Preisgleitklauseln.
  • Beim Freistaat hören wir dazu bisher: NICHTS!
  • Bei den Landkreisen hören wir dazu bisher: NICHTS!
  • Bei den Kommunen hören wir dazu bisher: NICHTS!

Ich weiß um Ihre angespannte Haushaltslage. Aber ich möchte Ihnen gern sachlich etwas ins Stammbuch schreiben und darum bitten: Sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer müssen aufeinander zugehen, Kompromisse finden und Verständnis zeigen für die Situation des anderen. Ansonsten werden viele Betriebe in ernste existenzielle Sorgen geraten oder sich ganz von öffentlichen Aufträgen verabschieden. Die Folgen brauche ich Ihnen eigentlich nicht nennen, ich mache es aber trotzdem:

  • Marode Straßen,
  • ausbleibende Sanierungen von Schulen und Kitas,
  • unsanierte Sportstätten,
  • kein Breitbandausbau,
  • keine energetischen Gebäudesanierungen oder Neubauten.

Natürlich ist das Geld, mit dem Sie dann die Unternehmen bezahlen, Steuern der Bürger, für die zurecht ein sparsamer Umgang die Regel sein muss. Es sind aber auch die Steuern der Betriebe und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mehr brauche ich eigentlich nicht zu sagen!

Wir drehen uns im Kreis und merken: Es geht nur gemeinsam in der Krise, aber auch danach. Denn dann stehen noch andere Aufgaben an, die ohne das Handwerk nicht gelöst werden können:

  • Wer installiert die Zapfsäule für Strom?
  • Wer saniert das Haus energetisch?
  • Wer baut eine neue Heizungsanlage ein?
  • Wer bringt auf dem Dach die Solarmodule an?

Die Antwort ist klar: Die Klima- und Energieziele in Europa und Deutschland gehen nur mit uns als Handwerk. Und wir freuen uns auf dieses Konjunkturprogramm!

Sehr geehrte Damen und Herren,

lassen Sie mich bitte noch einige Anmerkungen zur Politik machen und diese auch mit einem Aufruf am Ende verbinden.

Ich habe es vorhin schon gesagt, wir als Handwerk sind dankbar dafür, dass die Politik in Bund und Land besonnen und dennoch auch konsequent auf den russischen Angriffskrieg reagiert und auch die Sorgen und Nöte der Wirtschaft bei Sanktionen und den damit verbundenen Folgen ernst nimmt. Der Dialog miteinander ist richtig und wichtig. Wir werden uns diesem auch nie verschließen. Diesen Dialog gab es zwar auch während der Pandemie – leider nicht immer von Erfolg gekrönt, gerade was Anregungen unsererseits anging.

Dieser Dialog muss aber auch auf alle anderen Bereiche übertragen und gelebt werden. Aktuell befinden wir uns in Sachsen in der Aufstellung des kommenden Doppelhaushaltes und schon jetzt klafft eine Lücke zwischen den tatsächlichen Einnahmen und den Ausgabenwünschen der Ministerien. Hinzu kommt die Frage nach der Schuldentilgung. Und es wird immer deutlicher, dass ein von Berufswegen her immer sparsamer Finanzminister seine Sorgen und Nöte mit den Ministerkollegen hat. Herr Dulig wird jetzt sicherlich schmunzeln.

Dass man sich irgendwann auf einen gemeinsamen Haushalt einigen wird, der auch eine Mehrheit im Landtag findet, steht außer Frage. Ich möchte aber auch hier den dringenden Appell äußern, bei der für eine solche Einigung notwendigen Aufgabenkritik immer die Wirtschaft mit im Blick zu haben. Abstriche bei bewährten Förderprogrammen für die Wirtschaft bei gleichzeitiger Schaffung neuer Stellen und Strukturen in Ministerien und Behörden, deren Aufgaben aber eigentlich schon an anderer Stelle erledigt werden, lehnen wir ab. Denn gerade diese Mittel sollte man eher investieren:

  • vor allem in die Infrastruktur,
  • in die Berufsorientierung,
  • in den Bürokratieabbau!

Gerade das letzte Beispiel, die Bürokratie, wird immer mehr, statt weniger – egal wen man dazu fragt. Wir müssen mehr abbauen, denn das entlastet nicht nur die Betriebe des Handwerks, sondern letztlich auch all jene Behörden, die gesetzlich verpflichtet werden, die bürokratischen Vorgaben umzusetzen. Bürokratieabbau ist aber mehr eine Kulturfrage, die man über alle Ebenen leben muss. Pseudo-Versuche zum Abbau funktionieren nur selten.

Hoffentlich ist das auch ein Thema für die im Juni und Juli in Sachsen stattfindenden Wahlen, womit ich bei meinem letzten Thema angekommen wäre. Denn sowohl in den Rathäusern als auch in den Landratsämtern kann man viel bewegen – für die Bürgerinnen und Bürger und auch für das Handwerk, das bekanntlich in ländlich geprägten Regionen einen großen Einfluss für das gesellschaftliche Zusammenleben besitzt. In den hiesigen Amtsstuben wird über Bebauungspläne entschieden, es werden Investitionen in die Infrastruktur geplant und durchgeführt und vieles mehr – alles Themen, die das Handwerk betrifft. Umso bedeutender ist es daher, dass bei den Wahlen jene gewinnen, für die Sachpolitik an erster Stelle steht, die begleitet wird von weniger Bürokratie, Bürgernähe und dem Bewusstsein für wirtschaftliche Fragen!

Allen bisherigen Amtsinhabern danke ich auf diesem Wege für die Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren und manchmal auch Jahrzehnten und ich wünsche mir dieses enge Verhältnis auch bei den Nachfolgerinnen oder Nachfolgern. Womit ich wieder beim Dialog wäre: Lassen Sie uns gemeinsam gestalten, denn nur so können wir die bestehenden Probleme und anstehenden Herausforderungen auch lösen!"

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