Bild vom Verwaltungsgebäude der Handwerkskammer Chemnitz
Schmidtfoto-Chemnitz

Stellungnahme zum Entwurf des Sächsischen Vergabegesetzes

Die Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Handwerkskammern hat Stellung genommen zum Entwurf der Novellierung des sächsischen Vergabegesetzes:

Allgemein:

Die Kammern bedanken sich für die bereits im Vorfeld dieser regulären Anhörung geführten Gespräche zur Novellierung des SächsVergabeG. Man hat dabei stets deutlich gemacht, welche Punkte in dem Gesetzentwurf besonders kritisch gesehen werden und daher aus Sicht der Handwerkskammern einer Anpassung oder gar Streichung bedürfen.

Vergabefremde Aspekte, die eigentlich dem Erreichen von zum Beispiel  umweltpolitischen Zielen dienen, dürfen nicht Bestandteil eines novellierten Vergabegesetzes sein. Diese Ziele sollen durch die Einhaltung bereits bestehender Reglungen erreicht werden.

Ein Vergabegesetz sollte einzig und allein dem Wettbewerb dienen und dabei stets unmissverständlich formuliert sein sowie stets die sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln im Fokus haben.

Die Erfahrungen und Rückmeldungen aus der Handwerkerschaft zeigen, dass Wahlmöglichkeiten für die Vergabestellen sehr häufig „gut gemeint“ sind, jedoch „schlecht umgesetzt“ werden und nicht zur Verbesserung des Vergabeprozesses beitragen. Die vorherrschenden Absicherungsmentalität und Risikoaversion, mithin Haftungsvermeidungsstrategien einer Vielzahl von in den Vergabestellen beschäftigten Personen, erschweren den Vergabeprozess enorm und führten in der Vergangenheit – häufig – zu weiteren Nachforderungen der Vergabestellen in Form von Gutachten und Dokumentationen, mithin Erschwernissen. Im Zweifel fordern die Anwender des Vergabegesetzes Gutachten und Dokumentationen bei den Teilnehmenden, also den Handwerksbetrieben, an, um sich selbst haftungsfrei zu stellen. Dieser bisherigen Praxis, also das Nachfordern unangemessener und unverhältnismäßiger Dokumentationen und möglicherweise Gutachten, gilt es Einhalt zu gebieten und mit der Novellierung entgegenzuwirken. Der Eindruck, der erweckt werden soll, dass die Beteiligten am Vergabeprozess, so auch die Vergabestellen, durch Ausnahmen und Anhebung von Schwellenwerten entlastet werden sollen, dürfte auf Grundlage ergänzender Pflichten, wie der Rechtfertigung gegenüber Fördermittelgebern, nicht erreicht werden. Dort, wo etwas nicht geregelt ist, bestehen erhöhte Anforderungen an die Dokumentation des Vergabeprozesses. Diese Anforderungen werden durch den vorliegenden Entwurf erhöht.

Man hält fest, dass ein Vergabegesetz unter den Gesichtspunkten Handhabbarkeit und Anwendbarkeit schlank und inhaltlich präzise ausgestaltet sein muss. Querverweise sowie Hinweise auf andere Gesetze und Verordnungen lassen ein Gesetz in der Umsetzung unübersichtlich für den Anwender und Praktiker, wie einen Handwerksmeister, werden. Das Ziel des Gesetzgebers und die Maßgabe des Koalitionsvertrages – die Schaffung eines schlanken und anwenderfreundlichen Vergabegesetzes – wird mit dem vorliegenden Entwurf verfehlt.

Die im Gesetzentwurf beabsichtigten Regelungen führen im Ergebnis aufgrund Ihrer Komplexität und Missverständlichkeit tendenziell dazu, Handwerksbetriebe von der Teilnahme an Vergaben auszuschließen.

§ 2 Persönlicher Anwendungsbereich

Eine Ausnahme der Kommunen von § 3 Abs. 4 ist nicht nachvollziehbar. Gerade das eher regional tätige Handwerk ist auf Aufträge der Kommunen angewiesen und dabei gleichzeitig naturgemäß auch von Preisschwankungen betroffen. Unglücklich ist zudem, dass Kommunen von der Anwendung des § 6 freigestellt werden sollen, da dieser der Förderung der Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen dient. Daher sollte keine Ausnahme für Kommunen von der Einbeziehung von Stoffpreisgleitklauseln sowie der Anwendung von § 6 gemacht werden.

Begrüßt werden hingegen die in Absatz 3 aufgeführten weiteren Befreiungen der Kommunen.

Anzumerken bleibt jedoch, dass die derzeitige Ausgestaltung ungleiche Anforderungen für unterschiedliche Vergabestellen auf kommunaler Ebene und anderen darstellt, was auch aus Bietersicht mit Hürden verbunden sein kann, denn zumindest eine Vereinheitlichung erfolgt damit nicht.

§ 3 Anzuwendende Vorschriften

Die Einbeziehung von Stoffpreisgleitklauseln wird befürwortet. Zu beachten ist dabei allerdings, dass durch diese der bürokratische Aufwand nicht unnötig vergrößert werden darf. Die bisher existierenden Stoffpreisgleitklauseln (nach Bundesregelung) vermögen nicht immer einen gerechten Ausgleich zu erzielen. Seitens der Auftraggeber – teilweise aber auch seitens der Auftragnehmer – wird eine Anwendung aufgrund der Komplexität abgelehnt. Insoweit weisen die Handwerkskammern darauf hin, dass Regelungen geschaffen werden müssen, die die Anwendung erleichtern.

Fraglich ist indes, ob die Anhebung der Höchstwerte für eine Verhandlungsvergabe bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen auf derzeit bis zu 102.765,00 Euro sowie eine Freihändige Vergabe auf derzeit bis zu 155.064,00 Euro bei Bauleistungen im Sinne des durch kleine Betriebe geprägten Handwerks und des Wettbewerbs ist. Man sieht bei dieser Schwellenwertanhebung die Gefahr der wiederkehrenden Beauftragung bekannter Auftragnehmer ohne Möglichkeit der Kenntnisnahme durch andere, gegebenenfalls neu am Markt befindlichen oder unbekannten kleinen Betrieben. Wie „Junge Unternehmen“ angesprochen werden können, ist ferner nicht ersichtlich. Zweifel bestehen zudem daran, ob diese Ausgestaltung tatsächlich mit dem Gedanken der sparsamen Mittelverwendung einhergehen kann.

Schwellenwerte unterschiedlicher Höhe führen bei Grenzfällen zudem gegebenenfalls zur Anwendung der Regelungen für Bauleistungen als „Flucht“ in den höheren Schwellenwert. Das führt wiederum zu Unsicherheiten bei Bietern, wenn Folge der Nachprüfung die Aufhebung des Vergabeverfahrens ist. Man bittet daher, die im Entwurf enthaltene Regelung grundlegend zu überdenken.

Das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) soll die jeweiligen Höchstwerte im Amtsblatt veröffentlichen, wobei nicht abschließend ersichtlich ist, ob die Veröffentlichung deklaratorisch oder konstitutive Wirkung entfalten soll.

§ 4 Tariftreue und Mindestlohn

Mindestlöhne werden in der Regel in Verhandlungen zwischen Tarifvertragsparteien ausgehandelt und dort, wo notwendig, für allgemeinverbindlich erklärt. Auch der gesetzliche Mindestlohn wird durch die Mindestlohnkommission (§ 5 Abs. 1 MiLoG) vorgeschlagen. Ein einseitig festgesetzter Vergabemindestlohn per Vergabegesetz widerspricht den vorgenannten Gedanken des Zustandekommens.

Der Normentwurf lässt zudem die notwendige Transparenz vermissen. Erst in Absatz 4 wird deutlich, dass nicht nur Belange für den Bereich des Personennahverkehrs geregelt werden sollen. Der Mindestlohn soll laut dem aktuellen Entwurf dann auch nur denjenigen zu zahlen sein, die am Auftrag arbeiten, was nicht zum Betriebsfrieden beitragen dürfte (vgl. Begründung, S.59, Absatz 3).

Das Staatsministerium der Finanzen (SMF) soll den Mindestlohn im Amtsblatt bekannt geben, wodurch eine weitere Stelle mit zusätzlichen Aufgaben belastet wird.

§ 6 Mittelstandsförderung, Berücksichtigung innovativer Aspekte

In vorherigen Entwürfen war bisher in einem Abs. 3 vorgesehen, dass zur verstärkten Berücksichtigung innovativer Aspekte finanzielle Mehrbelastungen in angemessenem Umfang gerechtfertigt sind, diese aber auch nach oben gedeckelt werden müssen (bspw. 15%). Dieser Absatz sollte wieder mit aufgenommen werden.

§ 7 Berücksichtigung von Aspekten des Umweltschutzes und der Energieeffizienz

Die Aufnahme der Regelungen lehnen die Kammern ab. Bedauerlich ist, dass hier weiterhin an einer ergänzenden Rechtsverordnung der Staatsregierung festgehalten werden soll.

§ 8 Berücksichtigung von ILO-Kernarbeitsnormen und Kriterien des Fairen Handels und § 9 Berücksichtigung sozialer Kriterien

Diese Regelungen schaffen erheblichen weiteren bürokratischen Mehraufwand auf Seiten des SMWA, der Betriebe und der Vergabestellen.

§ 11 Bestbieterprinzip

Der Sächsische Normenkontrollrat hat in seinem Jahresbericht 2022 die Einführung einer Bestbieterbestimmung als Potential zum Bürokratieabbau empfohlen. Bieter, die an Verfahren in der Absicht der Zuschlagserteilung teilnehmen, müssen notwendige nicht wertungsrelevante Erklärungen bzw. deren Möglichkeit der Vorlage jedoch stets mit Angebotsabgabe geprüft und gesichert haben, da im Falle der Nichtvorlage das Angebot von der Wertung auszuschließen ist. Eine wirkliche Entlastung geht damit nicht einher. In der derzeitigen Ausgestaltung ist zudem nicht ausgeschlossen, dass sich Vergabeverfahren durch Gewährung der Frist, Nachfrist und einer etwaigen Nichtvorlage verzögern, was wiederum zu Nachteilen der zweitplatzierten Bieter führen kann.

§ 12 Sanktionen

Problematisch ist, dass kleinste Fehler mit Vertragsstrafen in Höhe von bis zu fünf Prozent des Auftragswertes sanktioniert werden können. Sobald Vertragsstrafen vereinbart sind, sind erhöhte Kontrollen seitens der Vertragspartner notwendig. Die Einhaltung allgemeinverbindlicher Mindestlöhne und entsprechender Mindestarbeitsbedingungen zu überprüfen, unterliegt der Zuständigkeit der Zollbehörden, insbesondere der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Eine Prüfung durch öffentliche Auftraggeber, die die Erbringung weiterer Nachweise seitens der Auftragnehmer voraussetzt, erfordert auf beiden Seiten einen erheblichen – nicht nur zeitlichen – Aufwand, der voraussichtlich auch auf Auftraggeberseite nicht bewältigt werden kann. Das Risiko einer Art Doppelbestrafung aufgrund der Gefahr einer Vertragsstrafe bei Verstößen gegen die Regelung des § 12 sowie eines zusätzlichen Bußgeldes erscheint nicht interessengerecht.

§ 13 Informationspflicht und Nachprüfverfahren

Unternehmen sollen nunmehr keine Kosten für das Nachprüfverfahren mehr tragen, das ist zu begrüßen. Im Hinblick auf die Schwellenwerte aus § 3 Absatz 2 ist auch die Anhebung der Wertgrenzen für das Nachprüfverfahren nachvollziehbar. Die Anhebung ist jedoch nicht im Interesse kleiner Handwerksbetriebe. Diese werden häufig bereits nicht die geforderten Schwellenwerte erreichen und haben dann keinen Zugang zum Rechtsschutz.

Zur Begründung

Der Hinweis, es bestünde kein Schulungsaufwand, geht fehl. (vgl. S. 15, 2.2.1.1.1.2.) Insbesondere, da ein Systemwechsel vollzogen wird, das Sächsische Vergabegesetz in Teilen auch auf Oberschwellenvergaben Anwendung finden und neue Regelungen eingeführt werden sollen, ist zu erwarten, dass ein erhöhter Schulungsaufwand besteht. Unklarheiten bei den Vergabestellen stellen immer auch ein Risiko beziehungsweise mindestens einen Nachteil für Bieter dar. Ferner kann ein Schulungsaufwand bei den Beschäftigten der Bieter nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Mangels Standardisierung werden sich insbesondere auch die Bieter vermehrt mit der neun Materie auseinandersetzen müssen.

Nach alldem wird deutlich, dass der vorliegende Entwurf keine schlanke und anwenderfreundliche Regelung darstellt. Drei Ministerien und die Staatsregierung (SMWA, SMF, SMEKUL) sollen mit zusätzlichen Aufgaben betraut werden oder Rechtsverordnungen erlassen, was es zu vermeiden gilt.

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