Vollversammlung verabschiedet Forderungspapier an mögliche Koalitionspartner
Die Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz hat am Samstag, den 16. November, ein Forderungspapier verabschiedet, das sich an jene Parteien richtet, die in Sachsen über einen neuen Koalitionsvertrag verhandeln. Von den gewählten Vertretern des regionalen Handwerks werden Maßnahmen und konkrete Festlegungen eingefordert, die die sächsische Wirtschaft insgesamt und das Handwerk im Besonderen stärken und unterstützen. Dazu zählen unter anderem
- ein Bürokratiemoratorium sowie in einem zweiten Schritt die Einsetzung einer Sächsischen Allianz für Bürokratieabbau (in Anlehnung an das Modell der Fachkräfteallianz),
- die Forderung nach mehr Lehrkräften an den allgemeinbildenden Schulen und beruflichen Schulzentren,
- die Einführung einer verpflichtenden Berufsorientierung an allen weiterführenden Schulen sowie eine Prämie für Ferienpraktika im Handwerk,
- eine Überarbeitung der Teilschulnetzplanung bei den berufsbildenden Schulen mit dem Ziel, die Bedingungen bei Fahrtwegen und Unterkunftsmöglichkeiten für die Auszubildenden zu verbessern,
- die Verstetigung der finanziellen Förderung für die Überbetriebliche Lehrunterweisung sowie mehr Fördermittel für Investitionen in die Bildungsstätten des Handwerks,
- die Ablehnung vergabefremder Kriterien in einem novellierten Sächsischen Vergabegesetz,
- der Stopp des Personalaufwuchses innerhalb der Staatsregierung, ausgenommen Lehrkräfte und Polizisten, sowie
- die Bündelung aller wirtschaftlichen Themen in einem Ministerium.
Handwerkskammer-Präsident Frank Wagner: „Unabhängig davon, welche im sächsischen Landtag vertretenen Parteien über eine Koalition verhandeln: Es braucht zügig eine neue Staatsregierung, deren Arbeitsgrundlage ein Koalitionsvertrag sein muss, der auch das Handwerk stärkt – nicht nur kurz-, sondern auch langfristig. Probleme und Herausforderungen gibt es zur Genüge und die durch die Vollversammlung beschlossenen Forderungen beschreiben die wichtigsten Punkte, die eine neue Staatsregierung angehen muss. Sei es bei Berufsorientierung und Ausbildung, bei Strukturen innerhalb der Landesverwaltung oder auch Gesetzen und Bürokratie. Wir wollen aber nicht nur fordern, sondern auch gern an der Problemlösung mitwirken. So ist zum Beispiel auch der Vorschlag für eine Allianz für Bürokratieabbau zu verstehen, in der unter Mitwirkung aller Betroffenen der Weg zum Bürokratieabbau institutionalisiert wird und gemeinsam konkrete Beschlüsse und Ideen umgesetzt werden könnten.“
Vollständiger Text des Forderungspapiers:
Sachsen braucht eine stabile Staatsregierung für die kommenden fünf Jahre. Es steht außer Frage, dass Koalitionsverhandlungen nie einfach sind – schon gar nicht bei drei möglichen Koalitionspartnern mit ihren ganz unterschiedlichen Programmen. Umso wichtiger sind Verhandlungen, die zu verbindlichen Ergebnissen führen und dennoch mit Blick auf die anstehenden Herausforderungen zügig zum Abschluss gebracht werden können. Wichtig dabei ist, dass sächsische Themen im Vordergrund stehen und diese nicht von Themen überlagert werden dürfen, die den Freistaat nicht weiterhelfen oder gar nicht auf Landesebene entschieden werden können.
In einem neuen Koalitionsvertrag braucht es konkrete Festlegungen von Maßnahmen, die das sächsische Handwerk weiter stärken.
Die Vollversammlung der Handwerkskammer Chemnitz fordert daher:
- In einer neuen sächsischen Staatsregierung muss der Bereich Wirtschaft in einem Ministerium gebündelt werden, damit zum Beispiel Wirtschaftsförderung, Energiepolitik, Bauen und Klimaschutz oder auch die Digitalisierung zentral vorangetrieben werden können.
- Der immer größer werdende Personalaufwuchs innerhalb der Staatsregierung muss gestoppt werden. Ausgenommen davon dürfen nur Stellen bei Polizei und Lehrerschaft sein.
- Die überbordende Bürokratie muss durch ein Bürokratiemoratorium gestoppt werden. Gleichzeitig ist – in Anlehnung an das Modell der Fachkräfteallianz – eine Sächsische Allianz für Bürokratieabbau einzusetzen, die konkrete Schritte mit jährlicher Berichterstattung zum Stand der Umsetzung festlegt.
- Sachsen braucht kein vollkommen neues Vergabegesetz. Vielmehr braucht es eine verschlankende Novellierung, die auf vergabefremde Kriterien verzichtet und praxisnah anwendbar ist.
- Der Freistaat muss in den kommenden fünf Jahren alles dafür tun, dass sowohl an den allgemeinbildenden Schulen als auch in den beruflichen Schulzentren mehr Lehrkräfte eingestellt werden und der Unterrichtsausfall deutlich zurückgeht.
- Die Berufsorientierung ist an allen weiterführenden Schulen zu einem verpflichtenden Unterrichtsbestandteil auszubauen – in Zusammenarbeit mit Betrieben und Kammern.
- Eine Prämie für Ferienpraktika im Handwerk – analog den erfolgreichen Modellen in anderen Bundesländern – ist ein zielführendes Instrument der Berufsorientierung, das auch in Sachsen eingeführt werden sollte. Die Prämie ist nicht nur Anreiz, um in der Ferienzeit Berufsfelder zu erproben, sie deckt dabei auch anfallende Kosten.
- Die Teilschulnetzplanung bei den berufsbildenden Schulen ist dahingehend zu überarbeiten, dass für jeden Berufsschüler ein maximaler Fahrweg innerhalb Sachsens zwischen Wohnort und Schule von höchstens zwei Stunden pro Tag entsteht. Gleichzeitig sind entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten an den Standorten zu schaffen, die eine altersgerechte Betreuung der Auszubildenden sowohl personell auch strukturell gewährleisten.
- Die finanzielle Förderung der für die berufliche Bildung im Handwerk elementaren überbetrieblichen Lehrunterweisung (ÜLU) ist langfristig zu verstetigen und zu erhöhen. Gleichzeitig muss der Freistaat mehr Fördermittel für Investitionen in die Bildungsstätten des Handwerks bereitstellen.