"Wichtig ist: Es braucht weniger Bürokratie. Weniger Papierkram. Weniger Nachweise"
Herr Wagner, im 2019 geschlossenen Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und SPD in Sachsen heißt es: „Wir streben ein weiterhin schlankes, in der Praxis gut handhabbares Gesetz an, das die Interessen von mittelständischen Unternehmen in besonderer Weise berücksichtigt.“ In einem Jahr sind die nächsten Landtagswahlen. Gibt es dieses Gesetz jetzt?
Kurze Antwort: Nein. Und es ist durchaus möglich, dass wir bis zur nächsten Wahl auch kein neues Vergabegesetz in Sachsen haben werden.
Warum?
Das ist eine längere Geschichte. Vorab muss ich ergänzen, dass oben genannter Satz nicht die einzige Aussage im Koalitionsvertrag zur Novellierung des Vergabegesetzes ist. Es wird in der Vereinbarung recht ausführlich dargelegt, an welchen Punkten man ansetzen will. Das geht bei Digitalisierung los. Wir finden Aussagen zur Präqualifizierung, Nachhaltigkeit, Mindestlöhne, Leiharbeit und soziale Kriterien. All das soll zumindest laut Koalitionsvertrag Eingang in das neue Vergabegesetz finden.
Das sind alles Punkte, die wichtig sind.
Mit Blick auf das eigentliche Vergabeverfahren sind manche Punkte wichtiger als andere. Aber aufgrund der Bedeutung der verschiedenen Themen braucht es eben auch Zeit, um ein solches Gesetzesvorhaben vorzubereiten, mit den Betroffenen abzustimmen und am Ende auch eine Mehrheit dafür im Landtag zu finden. Wenn wir aber erst kurz vor Ende der Legislaturperiode mit dem Prozess beginnen, wird es zeitlich knapp – vor allem bei den vielen strittigen Punkten, die zum Beispiel wir als Kammern sehen.
Welche sind das?
Ich möchte nicht auf einzelne Punkte eingehen. Wichtig ist: Es braucht weniger Bürokratie. Weniger Papierkram. Weniger Nachweise, die erbracht werden müssen. Viele Betriebe haben Mitarbeiter, die sich nur um Vergaben kümmern und um nichts anderes – eben weil so viele Vorgaben zu erfüllen sind.
Da würde schon mal die Digitalisierung der Prozesse helfen. Was allerdings nicht hilft: Wir brauchen eben keine zusätzlichen Kriterien, die dann zuschlagsrelevant wären, aber eigentlich gar nichts mit der eigentlichen Vergabe zu tun haben. Zum einen können gerade kleinere Betriebe diese Kriterien gar nicht erfüllen. Zum anderen führen sie zu noch mehr Bürokratie und gerade die wollen wir ja eigentlich abbauen.
Ihre Forderungen sind damit eigentlich klar.
Wir haben in Gesprächen mit der Staatsregierung deutlich gemacht, in welche Richtung wir uns die Novellierung des Vergabegesetzes vorstellen können und was aus unserer Sicht nicht geht. Das alles bereits vor der eigentlichen Anhörung, die bei Gesetzesvorhaben der Regelfall ist und wo die Beteiligten ihre Argumente darlegen oder auch Verbesserungsvorschläge machen. Am Punkt der Anhörung sind wir aber noch gar nicht.
Eigentlich müsste doch eine Einigung daher möglich sein?
Wir sind kompromissbereit. Und es gab in den vergangenen Wochen viele Gespräche. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich oder auch die zuständigen Mitarbeiter der Kammer zu Gesprächen in Dresden waren.
Einen Gesetzentwurf, über den man sich wirklich austauschen kann und bei dem nur noch kleinere Stellschrauben zu drehen sind, gibt es aber bis heute nicht.
Wie geht’s weiter?
Wenn wir das wüssten. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch und auch die für die Kammern strittigen Punkte sind bekannt. Die Zeit wird knapp für die jetzige Regierungskoalition. Das bisherige Vergabegesetz gilt aber auch erstmal weiter, was vielleicht sogar besser ist als ein neues Gesetz mit allerhand bürokratischen Vorgaben, die unsere Betriebe dann noch mehr von der Teilnahme an Aufträgen der öffentlichen Hand abhalten. Angesichts der Lage auf dem Bau – der naturgemäß am stärksten vom Vergaberecht betroffen ist – kann das auch nicht der Weg sein, den man gehen sollte.